HÖNE-Interview: Wir sollten uns trauen, Meta in Europa zu zerschlagen

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Henning Höne MdL gab der „Wirtschaftswoche“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Benedikt Becker.
 

Frage: Herr Höne, die Bundestagswahl ist vier Monate her. Die FDP hat einen neuen Vorstand. Sie sind seit ein paar Wochen Vize-Parteichef. Sind die Liberalen jetzt gerettet?

Höne: Neues Personal allein rettet noch keine Partei. Wir haben uns als Team viel vorgenommen. Die FDP muss wieder inspirieren und die richtigen Antworten auf große Fragen finden – das alles in einem lösungsorientierten und optimistischen Tonfall. Wir müssen jetzt beweisen, dass wir das können.  

Frage: Dafür müssen Sie im Gespräch bleiben. Das wird schwierig, wenn man nur in wenigen Landtagen sitzt und in Berlin abgemeldet ist.

Höne: Leicht wird das sicher nicht. Aber Umfragen zeigen auch, dass sich viele Menschen grundsätzlich eine liberale Partei im Parlament wünschen. Die aktuelle Lage schreit an ganz vielen Stellen nach liberalen Antworten: mehr wirtschaftliche Freiheit, weniger Steuern, ein viel effizienterer Staat, moderne Bildung und gesellschaftliche Freiheit – dafür gibt es in Deutschland einen Wählermarkt, davon bin ich überzeugt. Aber wir haben diese Menschen nicht mehr erreicht. Deshalb arbeiten wir jetzt an einem neuen Grundsatzprogramm, um die Leitlinien der FDP für die kommenden Jahre neu zu definieren.

Frage: Wo fehlt eine liberale Stimme aus Ihrer Sicht gerade besonders?

Das westliche Lebensmodell steht weltweit unter Druck. In den kommenden Jahren entscheidet sich, ob wir in 20 Jahren noch in Wohlstand und Sicherheit leben können. Ich glaube deshalb, dass zwei Themenbereiche entscheidend sein werden: Wirtschaft und Bildung.

Frage: Lassen Sie uns über Wirtschaftspolitik sprechen.

Höne: Gern. Die zentrale Frage ist doch: Womit wollen wir in Deutschland eigentlich in 20 Jahren Geld verdienen? Sind das noch die Dinge, mit denen wir vor 20 Jahren Geld verdient haben? Wohl kaum. Oder besser: nicht nur. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen: Dann machen wir dieses oder jenes halt nicht mehr. Ein industrieller Mittelstand, Familienunternehmen, Weltmarktführer und eine starke Exportorientierung – all das hat uns über viele Jahrzehnte getragen. Daran sollte man festhalten. Aber Europa hinkt hier nach wie vor hinterher – beim Zugang zu Wagniskapital, bei der digitalen Infrastruktur und in der Skalierung digitaler Innovationen. Das zu ändern, ist keine Kür, sondern eine ökonomische Notwendigkeit.

Frage: Was meinen Sie konkret?

Höne: Die Europäische Union hat sich auf die Fahne geschrieben, die erste Region der Welt zu sein, die Künstliche Intelligenz umfassend reguliert. Aber entwickelt und genutzt wird sie bislang in den USA und in China.  Dort entstehen echte Geschäftsmodelle – und erheblicher ökonomischer Wert. Europa dagegen bleibt bislang ein Zuschauer.
Und das wird so bleiben, wenn wir neue Technologien nicht offen begrüßen. Im Moment zeigt sich die Hilflosigkeit schon allein an der Debatte um die Marktmacht einiger sozialer Netzwerke.

Frage: Weil wir immer noch diskutieren, gegen Facebook und Co. ein öffentlich-rechtliches Konkurrenz-Netzwerk aufzubauen?

Höne: Zum Beispiel. Oder wir überlegen, Altersgrenzen einzuziehen. Oder wir wollen gleich den ein oder anderen Anbieter verbieten. Das sind alles Symptome derselben Hilflosigkeit. Wir merken jetzt, dass wir uns mit TikTok aus China oder Instagram, Facebook und Co. aus den USA in Abhängigkeiten begeben haben. Sie haben einen riesigen Einfluss auf unsere Gesellschaft. Doch diese Anbieter wiederum sind politisch abhängig. Von TikTok wissen wir das schon lange. Aber auch bei der Amtsübernahme von Donald Trump haben wir das gesehen. Damit müssen wir uns beschäftigen. Aber die Antwort darf nicht ständig lauten: regulieren, regulieren, regulieren.

Frage: Wie dann?

Höne: Meine Antwort wäre das Kartellrecht, ein ordnungspolitisches und urliberales Instrument. Die FDP macht keine Politik für einzelne Unternehmen, die FDP macht Poltik für funktionierenden Wettbewerb. Unternehmen müssen sich gegeneinander behaupten, sich richtig anstrengen. Davon profitieren wir als Verbraucher. Die Wahrheit ist: Auf dem Markt der sozialen Medien, wo es im Werbegeschäft um Milliarden geht, sehe ich monopolartige Strukturen. Dafür kennt das Kartellrecht einen umfassenden Werkzeugkasten, den man nutzen sollte. Wir müssen darüber diskutieren, ob man die Monopolstellung von Meta durch Whatsapp, Instagram und Facebook hinnehmen muss. Mein Debattenbeitrag dazu: Wir sollten uns trauen, Meta in Europa zu zerschlagen. So wie jetzt haben wir jedenfalls keine freien Marktbedingungen. Wir würden schließlich auch keinem Fernsehsender und keiner Zeitung erlauben, eine solche Markt- und Meinungsmacht zu haben.

Frage: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum das nicht längst passiert ist?

Höne: Vielleicht ist es der politische Glaube, dass man das alles regeln kann. Die Debatte dreht sich häufig um die Gefahren, um die Risiken. Aber es gibt ja auch riesige Chancen in diesen Geschäftsmodellen. Es sind oft großartige Ideen, die Menschen begeistern. Aber müsste man nicht Facebook auch dazu verpflichten, Wettbewerbern Zugänge zu ermöglichen? Müsste man nicht Instagram verpflichten, wenn man auf einen Link klickt, dass man dann tatsächlich die App verlässt? Es gibt unterschiedlich scharfe Schwerter, wie man wettbewerbsrechtlich an so etwas herangehen kann, ohne dass man das Nutzererlebnis beeinträchtigt. Aber wir müssen pfiffigen Ideen zumindest eine Chance gibt, sich im fairen Wettbewerb zu behaupten.

Frage: Ihre Kritik richtet sich also direkt an die Wettbewerbskommission der EU?

Höne: Auch in Deutschland kennen wir das Kartellrecht. Aber Marktmechanismen müsseneuropaweit fair funktionieren. Insofern muss natürlich die EU -Kommission tätig werden. Ich habe aber wie gesagt den Eindruck, dass man in Brüssel im Zweifel immer einen risikofokussierten Ansatz wählt. Immer wird nur überlegt: Wo können wir was verbieten? Wo können wir was wegregulieren? Stattdessen bräuchten wir digitale Sonderwirtschaftszonen, in den kreative Ideen ohne Vorschriften probiert und skaliert werden könnten.

Frage: Sie kritisieren, dass Regulierung Innovation verhindert. Hätten Sie ein konkretes Beispiel, welche EU-Regulierung Sie sofort abschaffen möchten?

Höne: Vieles hängt mit einem fehlgeleiteten Datenschutzbegriff zusammen. Wir schaffen an vielen Stellen eine Scheinsicherheit. Bei jedem Webseitenbesuch müssen wir unsere Zustimmung geben. Und lassen doch zu, dass viel mehr Daten über uns gesammelt werden als jemals zuvor. Da brauchen wir eine Kehrtwende. Wie schaffen wir es, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht einfach auf „akzeptieren“ klicken, weil sie das Cookie-Banner nervt. Wie schaffen wir es, dass nicht jede Arztpraxis ohne Ende Genehmigungsformulare ausfüllen lässt? Es muss uns gelingen, höchste Datensicherheit bei gleichzeitig Datensouveränität zu schaffen. Jeder muss wissen: Wo ist was gespeichert? Wer nutzt welche Daten von mir? Und: Wem kann ich es wie untersagen?

 

Zur Übersicht Pressemitteilungen