HÜSKENS-Interview: Die Deutsche Bahn braucht strukturelle Veränderungen

Dr. Lydia Hüskens MdL, Ministerin für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt und Mitglied im FDP-Präsidium gab MDR AKTUELL das folgende Hörfunk-Interview. Die Fragen stellte Hanno Gries:
 

Frage: Frau Hüskens, ich will mal die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, die GDL, zitieren, die sagt, die Entlassung von Herrn Lutz war eine notwendige Konsequenz des jahrelangen Missmanagements, das die Deutsche Bahn immer tiefer in die derzeitige Krise geführt hat. Sehen Sie das auch so?

Hüskens: Dass die Deutsche Bahn absolut in der Krise ist, sieht glaube ich wirklich jeder so. Ich bin nur etwas kritisch, ob das reine Wechseln an der Spitze, den Trainer rauswerfen, wirklich der richtige Weg ist, oder ob man nicht den Fokus tatsächlich auf die strukturellen Veränderungen legen müsste.

Frage: Wenn ich Sie frage, was Konzernchef Lutz falsch gemacht hat. Was würden Sie sagen?

Hüskens: Ich würde tatsächlich sagen, dass die Gesamtstruktur der Deutschen Bahn völlig ineffizient ist. Das ist inzwischen ein unüberschaubarer, riesiger Moloch geworden, der eher wie eine riesige Behörde funktioniert. Sämtliche Prozesse laufen wahnsinnig langsam – leider werden auch häufig Zusagen und Terminangaben der Deutschen Bahn bei konkreten Projekten immer wieder zur Disposition gestellt. Und das Miteinander zwischen der Bahn auf der einen Seite und den Ländern auf der anderen Seite ist wahnsinnig schwierig.

Frage: Ja, aber da gibt es ja Personen, die für diese Struktur verantwortlich sind. Und der bisherige Bahnchef Lutz, der war ja nun seit März 2017 schon Vorstandschef und davor schon sieben Jahre Finanzvorstand der DB. Will also sagen: der kennt sich aus und er kennt auch die Probleme. Warum hat sich das nicht geändert?

Hüskens: Ganz offensichtlich, weil man das in einem solchen riesigen Konglomerat nicht ändern kann, wenn man nicht gleichzeitig an die Strukturen herangeht. Also ich unterstelle jedem immer erst einmal positives und dass man wirklich Dinge verändern will. Aber die Struktur der Deutschen Bahn ist inzwischen so, dass ich das eher so ein bisschen wie mit einer Sisyphusarbeit vergleichen würde. Und da ist der Stein jetzt wieder hinabgerollt.

Frage: Das klingt so ein bisschen danach, als könne er nichts dafür. Sind Sie davon überzeugt, dass ein neuer Verkehrsminister das besser machen wird?

Hüskens: Nein, eben nicht. Also ich würde Herrn Lutz jetzt tatsächlich nicht die alleinige Verantwortung für das Problem umhängen wollen, weil ich wirklich fest der Überzeugt bin, dass die Grundstruktur angefasst werden muss. Wir brauchen zwingend eine richtige Trennung der Infrastruktur, also dem, was wir jetzt InfraGo nennen, vom Betrieb. So können wir dafür Sorge tragen, dass das, was eigentlich in die öffentliche Hand gehört, nämlich öffentliche Verkehrsinfrastruktur, da auch ist und dann über eine Regulierungsbehörde auf der Schiene wirklicher Wettbewerb organisiert wird. Ich finde, das funktioniert im Regionalverkehr ganz gut. Ich traue den Akteuren zu, dass sie das im Fernverkehr auch können. Aber zu dem Schritt hat man sich nach wie vor nicht durchringen können.

Frage: Wer genau hat sich nicht durchringen können? Also die Frage ist jetzt: Wissen Sie zufällig, ob der neue Verkehrsminister Patrick Schnieder ein Unterstützer dieser Idee ist, die Strukturen zu zerschlagen und die Bahn aufzuteilen?

Hüskens: Also bisher war es tatsächlich immer so, dass CDU und SPD sich bei dem Thema verwehrt haben. Ergebnis der letzten Legislatur ist zumindest der Schritt in Richtung InfraGO und dass man stärker abgegrenzt hat. Aber den konsequenten Schritt zu machen und öffentlich zu sagen: Die Infrastruktur der Bahn ist eine Aufgabe der öffentlichen Hand und der andere Teil ist dann wirklicher Wettbewerb auf der Schiene, das hat man sich schlicht nicht getraut. Wir haben das damals im Koalitionsvertrag nicht lösen können und jetzt im Koalitionsvertrag sehe ich es auch nicht.

Frage: Das heißt, sie sind die einsame Ruferin aus Sachsen-Anhalt? In dieser Koalition von Schwarz-Rot wird sich nichts ändern? 

Hüskens: Das ist das, was ich befürchte. Es sei denn, der Druck auf dem Kessel wird noch größer. Aber man hat jetzt erst mal versucht, sich zu befreien. Ich halte es für Symbolpolitik, obwohl, Sie haben natürlich recht, Herr Lutz auch Verantwortung trägt. Aber man befreit sich jetzt mit dem Trainerwechsel und hofft auf die Zukunft. Ich glaube, das ist eine trügerische Hoffnung. Mir wäre es lieber, wenn man tatsächlich an die Strukturen geht, und das so schnell wie möglich.

Frage: Und wir Bürger, worauf richten wir uns ein? Darauf, dass vielleicht wir in 30 Jahren einmal zufrieden sein können mit der Deutschen Bahn und dem Service und sagen können: Ja, die Schweizer oder die Österreicher sind zumindest in Sichtweite?

Hüskens: Ich fürchte im Fernverkehr – ich würde das wirklich explizit vom Regionalverkehr abkoppeln – werden wir zumindest bis in die 2030er Jahre warten müssen, bis wir hier eine Infrastruktur haben, die wirklich tragfähig ist. Das aber – und das will ich ganz klar sagen – auch nur, wenn man jetzt wirklich konsequent den Weg der Erneuerung geht, und das auch mehr in Abstimmung mit den Ländern. Dies ist übrigens keine parteipolitische Sache. Ich merke als Liberale auch bei CDU-, bei SPD-, bei Grünen-, bei Linken-, bei BSW-Politikern, dass wir uns da gerne intensiver abstimmen würden, um dafür zu sorgen, dass Bauvorhaben möglichst zügig durchgesetzt werden. Nur dann haben wir als Bahnfahrerinnen und Bahnfahrern eine Chance, dass wir in den 2030er Jahren wirklich ein Angebot haben, mit dem wir zufrieden sein können. Aber das ist kein Selbstläufer. Das heißt, wir müssen wirklich, an die Strukturen herangehen. Und da sehe ich aktuell den Mut nicht. 

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