KUBICKI-Kolumne: Die Erfindung des Höllensommers

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki schrieb für Cicero Online folgende Kolumne:

Medien und Politiker lieben die Metapher. Denn sie kann bestimmte Charakterisierungen deutlich machen, ohne zu viele Worte zu verlieren. Dabei sind nicht unbedingt Fantasie oder Abwechslung gefragt. Jüngst erschien beispielsweise ein Porträt über Philipp Amthor in der Zeit, in dem ich nur ganz beiläufig Erwähnung fand. Amthor habe sich früher im Bundestag mit dem „Schlachtross Wolfgang Kubicki“ gezofft, hieß es da. Eine Beschreibung, die ich durchaus schmeichelhaft interpretieren darf – soll sie doch eine gewisse Erfahrenheit und Furchtlosigkeit in der politischen Auseinandersetzung implizieren.

Etwas altbacken kommt diese Metapher vielleicht daher, und außerdem sind mit dem Krieg assoziierbare sprachliche Bilder eigentlich nicht mehr opportun. Ich sage nur: „offene Feldschlacht“.

Aber immerhin habe ich es geschafft, dass ich in so gut wie jedem relevanten deutschen Publikationsorgan mit dieser Zuschreibung versehen wurde – stets mit leichten Variationen: vom „FDP-Schlachtross“ (Bild) und dem „liberalen Schlachtross“ (Süddeutsche) über das „Talkshow-Schlachtross“ (NZZ, Handelsblatt) bis hin zum „alten Schlachtross“ (taz) war wirklich schon alles dabei. Wobei das volle Potenzial erst in Beschreibungen wie „Kubicki, das alte, kaum zu zügelnde Schlachtross aus dem Norden“ (General-Anzeiger) deutlich wird.

Da ich schon weit über ein Jahrzehnt mit dieser Metapher lebe, kann ich sagen: Journalisten lieben das griffige Bild. Und ist erst einmal eines gefunden, entwickelt es ein langes Eigenleben. Problematisch wird es, wenn Medien so verliebt in ein griffiges Bild sind, dass sie den Inhalt unterordnen.

So geschehen im Frühjahr dieses Jahres, der Geburtsstunde des „Höllensommers 2025“. Auch hier sagt die Metapher mehr als tausend weitere Worte: Hitze, Verderben und Katastrophe! Bringe sich in Sicherheit, wer kann! Das war die klare Erwartung einiger Weltuntergangspropheten.

Nun sind solche Wettervorhersagen über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinaus, gelinde gesagt, mehr als unseriös. Sie sind reine Scharlatanerie. Das wussten natürlich auch die meisten der im Mai von so gut wie jedem deutschen Medium befragten Meteorologen, weswegen sie auch pflichtschuldig darauf hinwiesen, dass der Sommer 2025 im Mai noch gar nicht vorhersagbar sei. Alles natürlich vergeblich, denn die Höllenszenarien wurden trotz dieser fachlichen Einwände der Wetterexperten in verschiedensten Medien – ob öffentlich-rechtlich oder privat – in unglaublicher Detailtiefe entworfen: trockengelegte Schiffe, im Hitzekollaps kaum begehbare Städte und eine gefährdete Trinkwasserversorgung.

Wenn Historiker dereinst ins Pressearchiv des Mai 2025 schauen, müssen sie den Eindruck einer kurz vor der Auslöschung stehenden Zivilisation bekommen.

Nachdem wir einen Großteil des Sommers hinter uns gebracht haben, wage ich die Prognose, dass wir ihn überleben werden. Die Angst- und Untergangsfanatiker sind blamiert. Ihre Prognosen wären natürlich nicht weniger dumm und gefährlich gewesen, wenn wir tatsächlich einen heißen Juli erlebt hätten. Aber so kann eigentlich jeder sehen, dass es den Wetter-Warnern im Mai weniger um das Wohlergehen der Leserschaft als vielmehr um irrationale Angst ging – jene Angst, mit der schon die Kirche über Jahrhunderte ihre Geschäftsmodelle betrieb.

Die „Hölle auf Erden“ bleibt ein Verkaufsschlager für alle, die von eingeschüchterten, verängstigten Menschen leben. Beängstigend ist vor allem der Erfolg, mit dem sich diese irrationale Angst festgesetzt hat. Denn obwohl der „Höllensommer“ in diesem Jahr (übrigens wie auch im Jahr zuvor) unbestreitbar ausgefallen ist, wollen ihn viele trotzdem erlebt haben.

Ich konnte das in dieser Woche gut beobachten, als ich die Höllensommer-Warnungen aufgriff und angesichts der besseren Wetteraussichten für die kommenden Tage auf X schrieb:

„Vor einem halben Jahr machten Warnungen vor einem ‚Höllensommer‘ die Runde. Dabei handelte es sich selbstverständlich um unseriöse Scharlatanerie – Geschäftemacherei mit der Angst, betrieben von Medien, Politik und manchen NGOs. Nachdem sich der Sommer in den vergangenen Wochen jedoch eher herbstlich frisch und nass zeigte, soll es in den kommenden Tagen endlich besseres Wetter geben. Damit droht erneut die mediale Weltuntergangsbeschallung. Ich empfehle für einen schönen Rest-Sommer, von Mutter Natur zu lernen – und wie der Juli den Höllensommer-Rufern die kalte Schulter zu zeigen.“

Diese leicht ironisierende Empfehlung zur souveränen Gelassenheit löste bei vielen Internet-Usern schon vor dem angekündigten Wetterumschwung ordentliche Hitzewallungen aus. „Ignoranz vor wissenschaftlichen Erkenntnissen“ wurde mir vorgeworfen. „Dummheit“, „Populismus“ oder „Inkompetenz“ waren die freundlichen Gegenreaktionen. Die unfreundlichen spare ich hier aus, denn anders als viele meiner politischen Mitbewerber möchte ich niemanden in Schwierigkeiten mit der Staatsmacht bringen.

Aber interessant sind diese Überreaktionen allemal. Besonders, weil sie sich in ihrem Wahn oft zu einem recht verräterischen Vorwurf hinreißen ließen: Klimawandel-Leugner.

Nur hat sich mein Text überhaupt nicht mit dem Klima auseinandergesetzt, sondern vielmehr diejenigen auf die Schippe genommen, die eben jenes Klima nicht vom Wetter unterscheiden können – und deshalb meinen, den Wetterbericht für die nächsten Jahre schon anhand von Klimamodellen ablesen zu können.

Das Wetter, so der kindliche Glaube, darf nur noch katastrophal ausfallen. Denn alles andere wäre ja Leugnung des Klimawandels. Und wenn Medien das Sommerwetter auf so lächerliche und dumme Weise vorhersagen und dabei so brachial danebenliegen, dann gilt der Hinweis darauf als unseriös – ganz egal, ob er sachlich richtig ist.

Eine Gesellschaft, die Debatten so führt, hat ein ernsthaftes Problem. Denn sie offenbart, dass sie sich in hysterischer Zukunftsangst wohler fühlt als in dem auf Zuversicht bauenden Annehmen der Realität.

Es sind während der Corona-Zeit eingeübte Muster, die sich hier wieder zeigen. Auch damals meinten nicht wenige, nur mit maximaler Angst in der Bevölkerung sei der aufkommenden Gefahr zu begegnen. Denn ohne Angst lassen sich bestimmte Maßnahmen, die man für nötig hält, nicht durchsetzen.

So ist es kein Zufall, dass zu Zeiten der Pandemie auch die Idee des „Klima-Lockdowns“ die Runde machte – und ich fürchte, dass diese Idee nach wie vor Anhänger findet.

Wer solche radikalen Ideen verfolgt, fühlt sich natürlich provoziert, wenn jemand in die Weltuntergangsstimmung hineingrätscht. Als altgedientes Schlachtross kenne ich das natürlich alles – habe ich mich doch nicht nur über den „Höllensommer“ lustig gemacht, sondern auch über die ungezählten Killer-Varianten des Karl Lauterbach.

Dabei habe ich weder das Coronavirus noch den Klimawandel oder deren Gefahren geleugnet. Ich glaube nur nicht, dass wir reale Probleme durch angsteinflößende Fiktionen lösen werden.

Zumal das immer wieder zu allerlei Peinlichkeiten führt. Wenn in der nächsten Woche das Thermometer tatsächlich wieder über 30 Grad klettern sollte und daraus allerlei verkehrs- oder energiepolitische Forderungen abgeleitet werden, wird man dem nicht ganz zu Unrecht wieder Tabellen mit historischen Temperaturmessungen entgegenhalten, die solche Gradzahlen längst ausweisen.

Politik nach dem Wetterbericht machen zu wollen, ist einfach eine große Dummheit. Klimapolitik muss langfristig und international abgestimmt erfolgen, soll sie mehr sein als eine abergläubische Symbolhandlung.

Überhaupt sind Angst und Verdruss die schlechtesten aller Ratgeber. Und nicht an jeder sensationsheischenden Metapher muss man auf Biegen und Brechen festhalten.

Der heißeste Juli seit Aufzeichnung der Wetterdaten war global gesehen der des Jahres 2023. Der zweitwärmste der Juli 2024. Der drittwärmste war der Juli dieses Jahres, wie der EU-Klimadienst Copernicus uns mitteilt. Insofern: Kopf hoch, es wird beständig kälter.

In diesem Sinne wünsche ich allen ein paar erholsame und angenehme Sommertage.

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