KUBICKI-Kolumne: Linke Plünderungsfantasien
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki schrieb für Cicero Online folgende Kolumne:
Mit Neid macht die politische Linke in Deutschland schon immer gerne Politik. Ein kleines, aber anschauliches Beispiel ist ein Tweet von Ricarda Lang in dieser Woche, in dem sie eine Äußerung von Bundeskanzler Merz aufgriff. „Wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse“, zitierte sie ihn und postete dazu ein Foto von Merz am Steuer seines Privatjets. Ein klarer und ziemlich erfolgreicher Appell an die niederen Instinkte: Der will was von Sparen erzählen? Der soll erst mal bei sich anfangen!
Dabei hat die Äußerung Merz’ natürlich rein gar nichts mit seinem eigenen wirtschaftlichen Erfolg zu tun, aber das weiß Ricarda Lang natürlich.
Privater Erfolg mag in anderen Ländern die politische Karriere beflügeln, in Deutschland kann er ihr gefährlich werden. „Dieser Professor aus Heidelberg“, ätzte Gerhard Schröder einst gegen einen der renommiertesten Verfassungs- und Steuerrechtler, die dieses Land je hervorgebracht hatte, und zerschoss Angela Merkel damit fast noch auf den letzten Metern den sicher geglaubten Wahlsieg im Jahr 2005. Schlimmer aber war: Er sorgte auf diese Weise dafür, dass es seither niemand mehr gewagt hat, große steuerpolitische Reformen ernsthaft aufzugreifen, wie Paul Kirchhof es im Wahlkampf 2005 noch tat. Mit persönlichem Erfolg und politischem Reformgeist macht man sich eben zur beliebtesten Zielscheibe der Linken.
Dabei glauben die Linken ohnehin, wer wirtschaftlich erfolgreich ist, werde zu einer Art politischer Verfügungsmasse. Da wird man schnell zum „Reichen“ oder zum „Superreichen“. Besonders bei einem Thema fallen dann alle Hemmungen: beim Erben. Wahrscheinlich halten viele Linke Erben tatsächlich für eine ziemlich ungerechte Sache und sehen ihre Sehnsucht nach dem Vermögen der Dahingeschiedenen nicht als billige Raffgier, sondern als Frage der sozialen Gerechtigkeit. Da werden dann die verrücktesten Ausführungen angestellt. Jüngst etwa von Andreas Audretsch, bis vor Kurzem Wahlkampfmanager von Robert Habeck und stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Der verkündete bei Phoenix, Deutschland dürfe „nicht zur Erbengesellschaft werden“. Immerhin gäbe es über 800.000 Menschen im Land, die nur von ihrem Ererbten lebten. Es gäbe demgegenüber „Alleinerziehende im Bürgergeld, die rackern sich ab“. Und irgendwie sei das alles „absurd“ und ungerecht sowieso. Noch offener werden die Linken bei „Die Linke“, die endlich an das gesamte Betriebsvermögen im Erbfall ranwollen. Und auch die SPD unter ihrem Vorsitzenden und Finanzminister Klingbeil fordert eine höhere Erbschaftsteuer, was schon deswegen ein bisschen paradox ist, weil er gerade einen Beirat berufen musste, der ihn beim Ausgeben der 500 Milliarden Sondervermögen berät. Wir leisten uns gerade einen Finanzminister, der sich seiner Überforderung nicht einmal mehr schämt. Für ein paar Steuererhöhungsfantasien reicht es trotzdem noch. Sozialdemokratische Reflexe sitzen eben nachhaltig, wenn sie erst mal eingeübt sind.
Bevor man die linken Plünderungsfantasien politisch bewertet, lohnt sich ein nüchterner Blick in die Verfassung. Dort heißt es in Artikel 14 Abs. 1: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.“ Die „Erbengesellschaft“, die Herr Audretsch in Deutschland ausgemacht haben will, ist also kein Zufall, sondern von Verfassungs wegen gewollt. Inhalt und Schranken hat der Gesetzgeber zu bestimmen, aber das Erbrecht als solches darf nicht infrage gestellt werden. Das betrifft zum einen das Recht zu vererben, aber auch das Recht zu erben. Zu Letzterem gehört auch die „unentziehbare und bedarfsunabhängige Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass“, wie das Bundesverfassungsgericht es formulierte. Das Zauberwort, das viele postmortale Enteignungsfantasien zum Platzen bringen dürfte, ist hier: bedarfsunabhängig.
Die grünen Vorstellungen, alle Erbschaften zusammenzuzählen und oberhalb eines „Lebensfreibetrags“ alle Erbschaften pauschal mit 25 Prozent zu versteuern, dürften deswegen auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten. Mit Neid lassen sich vielleicht Stimmen fangen. In Karlsruhe ist „der hat doch schon so viel“ kein gutes Argument. Zumindest nicht, solange wir unser schönes Grundgesetz haben. Linke Rufe nach einer neuen Verfassung, wie jüngst von Bodo Ramelow vorgetragen, sind auch unter diesem Blickwinkel zu bewerten.
Die Rufe nach einer Erbschaftsteuer, die die „Reichen“ erst mal „zur Kasse“ bittet, sind nicht nur extrem einfallslos, sie sind respektlos und leistungsfeindlich. Man darf daran erinnern: Wenn jemand stirbt und etwas zu vererben hat, hat er all das schon einmal versteuert. Wieviel und wem er etwas hinterlässt, ist Ausdruck seiner Selbstbestimmung über den Tod hinaus. Dass der Erblasser eigene Kinder im Regelfall nicht vom Pflichtteil ausschließen kann, trägt wiederum laut Verfassungsgericht der „unauflösbaren Familiensolidarität“ Rechnung. Solidarität ohne Staat? Das ist für Linke natürlich ein Affront, und deswegen meinen sie, sie hätten das Recht, in diese hochsensiblen Bereiche hineingrätschen und nach dem Geld derer greifen zu dürfen, die sich nicht mehr wehren können. Dabei sollte doch klar sein, dass es nicht nur um Geld geht, sondern um Vermögen. Den Unterschied kennen viele Linke nicht, wie man immer wieder bei der Diskussion um die Vermögensteuer merkt. Spätestens wenn Eigentum veräußert werden muss, um die Steuerschuld, die aus einer Erbschaft folgt, zahlen zu können, ist der Staat zu übergriffig geworden.
Noch heikler wird es dann, wenn Vermögen betroffen ist, mit dem noch gewirtschaftet werden muss. Nicht nur Landwirte sind nur auf dem Papier schnell sehr „vermögend“, dabei ist dieses „Vermögen“ in Form von Land nicht mehr und nicht weniger als die reine Existenzgrundlage. Wer über höhere Besteuerung auf Betriebsvermögen – etwa in der Landwirtschaft – redet, muss und soll sagen, dass er an diese Existenzgrundlage heranwill. Die liquiden Großinvestoren wird es freuen, wenn der deutsche Staat intergenerationellen Leistungswillen verunmöglicht und das „Vermögen“ – also das Land – so zwangsweise dem Markt zugeführt wird. Volkswirtschaftlich macht es übrigens auch wenig Sinn, erfolgreiche Unternehmen im Erbfall zwangsweise zu zerschlagen und darauf zu hoffen, dass daraus etwas Neues entsteht. Und nachhaltig ist es schon ganz und gar nicht.
Aber was will man den Wortführern der Neiddebatte über Leistungsbereitschaft erzählen, ist doch ihre ganze politische Sozialisation auf den Griff nach fremdem Geld ausgerichtet? Da bleibt nur die Hoffnung auf Vernunft in der Debatte. Und die kam in dieser Woche von Ursula Weidenfeld im „Spiegel“. Sie schlägt vor, die verschiedenen Lager im Streit um die Erbschaftsteuer zueinander zu bringen, indem man keine sogenannten Schlupflöcher mehr zulässt. Also: alle zahlen Erbschaftsteuer. Im Gegenzug wird der Steuersatz dramatisch gesenkt. So niedrig, dass er niemanden mehr überfordert. Über derartige Modelle ließe sich reden, wenn man einen mehrheitsfähigen Kompromiss sucht.
Allein: Den Populisten bei Linken und Grünen würde ein dankbares Thema abhandenkommen, mit dem sich so leicht und billig Kapital schlagen lässt. Und der arme Lars Klingbeil müsste vielleicht schon wieder einen Beirat einberufen, weil er mit möglicherweise entstehenden Mehreinnahmen abermals überfordert wäre.