RÜLKE-Gastbeitrag: Mit der Verschuldungsorgie nur Zeit gekauft

FDP-Präsidiumsmitglied Dr. Hans-Ulrich Rülke MdL schrieb für die „Schwäbische Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) folgenden Gastbeitrag:

Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit fünf Jahren praktisch durchgehend entweder in der akuten Krise oder in der Rezession. Zunehmend wird sichtbar, dass der systematische Arbeitsplatzabbau bei großen Industrieunternehmen und dem verarbeitenden Gewerbe nicht dauerhaft mit dem Arbeitsplatzaufwuchs im öffentlichen Dienst oder Sozialberufen abgefangen werden kann. Die industrielle Wertschöpfung kann ohnehin nicht so ausgeglichen werden.

Die Union hat in den Oppositionsjahren und insbesondere im Wahlkampf große Erwartungen auf eine rasche Trendwende geschürt. Vom „Herbst der Reformen“ hat man sich jetzt intern bereits verabschiedet, vor eine Rentenreform, die echte Anreize für eine längere Lebensarbeitszeit setzen würde, schreckt man ebenso zurück wie vor einer Steuerreform, die echte Anreize für Investitionen und Mehrarbeit liefern würde.

Durch die Verschuldungsorgien mit dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität hat man sich vermeintlich Zeit gekauft – eine langsamere Rezession auf Kosten unserer Kinder und Enkel. In weiten Teilen der Öffentlichkeit herrscht auch noch immer der Eindruck vor, die Sonderschulden würden tatsächlich nur für zusätzliche Investitionen genutzt. Doch für die 100 Milliarden Euro, die an die Länder gehen, gibt es gar keine solche Regel, sie werden voraussichtlich ausschließlich zum Stopfen von Haushaltslöchern und zur Vermeidung produktivitätssteigernder aber unbequemer Reformen genutzt. Auch die Regeln für den Bund sind mehr als lasch: Zukünftige Investitionen, die seit Jahren vertraglich festgehalten sind – etwa Ersatzinvestitionen im Schienennetz – wandern aus dem Haushalt in das Sondervermögen. Die Bundesbank schreibt in ihrem August-Bericht: „Offenbar werden die neuen Verschuldungsmöglichkeiten in erheblichem Maße genutzt, um anderweitige Haushaltsspielräume zu schaffen.“

Auch die Architekten des Sondervermögens sind schockiert. Wir erinnern uns: Anfang des Jahres hatten sich die vier Spitzen-Ökonomen Feld, Fuest, Schularick und Südekum zusammengetan, um mit einem Papier sowohl für die Einrichtung eines Infrastruktur-Sondervermögens zu werben als auch für Ausnahmen aus der Schuldenbremse bei Verteidigung. Wie Doktor Frankenstein stehen sie nun vor der Monstrosität, die sie schufen. Hüther schreibt beispielsweise, der nun fehlende Reformdruck sei „mehr als ärgerlich“.

Natürlich lassen sich — selbst für Liberale — staatliche Schulden grundsätzlich rechtfertigen. Sie können sich auszahlen, wenn sie investiert werden, sie können kurzfristige Sonderlasten, etwa durch Naturkatastrophen, auf längere Zeiträume verteilen oder für konjunkturelle Glättung verwendet werden. Wenn man jedoch Rekordschulden aufnimmt, um Wahlgeschenke zu finanzieren, gleicht das eher einem Familienvater der das Haus versäuft aber die Hypothek den Kindern überlässt. Die Tragik dieser Bundesregierung ist, dass sie nun einerseits nahezu unbegrenzte Mittel zur Verfügung hat, aber diese nicht nutzt, um das Land zukunftsfähig zu machen, aber auch andererseits in den anderen Politikbereichen keine flankierenden Aktionen unternimmt, um ihre Bequemlichkeit zumindest auszugleichen.

Nehmen wir nur einmal den schleppenden Hochlauf der Verteidigungsindustrie. Viele Mittelständler, die unter der Verbrenner-Verbotspolitik der CDU-geführten EU-Kommission leiden, könnten hier ein neues Geschäftsfeld auftun. Doch die Investitionen, um den Ausrüstungsmangel der Bundeswehr aufzuholen, verlaufen unglaublich schleppend und bürokratisch.  In der Verteidigungsindustrie gilt es heute als Qualitätsmerkmal, wenn ein Produkt „German free“ ist, also keine deutschen Bauteile enthält. So spart man sich den bürokratischen Rattenschwanz. Das Zielbild hingegen müsste, hier wie in der gesamten Industrie, sein, dass man stolz auf „Made in Germany“ ist.

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