SOLMS-Gastbeitrag: Für einen neuen Gründergeist

Das FDP-Präsidiumsmitglied Dr. Hermann Otto Solms schrieb für die „Welt“ (Freitag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Wer sich heute entscheidet, mit einem Start-up das Wagnis einer Unternehmensgründung einzugehen, weiß oft nicht, was auf ihn zukommt. Und damit meine ich nicht die unternehmerischen Risiken oder Herausforderungen, Kapital zu beschaffen. Ich meine den Vorschriftendschungel. Anstatt Start-ups jedwede Unterstützung zukommen zu lassen, sind Neugründer von Anfang an Objekt staatlicher Regulierung und Opfer der bürokratischen Finanz- und Steuerverwaltung.

Das geht los mit einem maschinell erstellten, völlig unpersönlichen Schreiben zur Umsatzsteuervoranmeldung. Warum sendet der Leiter der jeweiligen Finanzbehörde keinen Glückwunsch und nennt Ansprechpartner, die zur Beratung zur Verfügung stehen? Weiter geht es mit der Gewerbesteuer bei der Gemeinde. Könnte die nicht für die ersten Jahre eine Befreiung anbieten, weil anfangs sowieso keine Einnahmen vorhanden sind, auf die Gewerbesteuer gezahlt werden kann? Auch die IHK könnte statt der Mitteilung auf gebührenpflichtige Mitgliedschaft auf Beratung hinweisen oder Ausnahmen vom Mitgliedsbeitrag gewähren. Gleiches gilt für die Sozialversicherungsträger. Sie könnten einfache und transparente Regelungen für Gründer anbieten.

Was ich damit sagen will: Wir brauchen ein völliges Umdenken der Behörden und Organisationen. Start-ups sollten vom Staat gepflegt und nicht in ihrer Entwicklung gestört und behindert werden. Sie sollten – jedenfalls befristet – von vielen Vorschriften entlastet werden, damit sie sich zu Arbeitgebern und zahlungskräftigen Steuerzahlern entwickeln können. Wie lassen sich Probleme der Gründer schnell und unbürokratisch lösen? Das sollte im Vordergrund stehen und nicht nur schlichtes Verwaltungshandeln. Verständnis für die Situation der Start-ups könnten Hospitationen von Verwaltungsmitarbeitern schaffen. Der kulturelle Wandel muss bereits in der Schule beginnen und sich in Hochschule und Berufsschule fortsetzen. Wir brauchen eine flächendeckende Verankerung von Entrepreneurship Education im Bildungsbereich. Das führt zu einem nachhaltigen Wandel der Denkweise und einem kulturellen Mentalitätswechsel.

Hier müssen wir ansetzen, denn wir befinden uns in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess. Globalisierung und Digitalisierung sind Megatrends unserer Zeit. Dazu kommt der demografische Wandel. Wir sehen uns einer Völkerwanderung gegenüber und der Frage, wie es weitergeht mit Europa. Unternehmen müssen auf die Veränderungen flexibel, schnell und zielführend reagieren und vorausschauend die notwendigen Entscheidungen treffen. Sie müssen sich in neuen Märkten mit veränderten Produkten behaupten.

Damit Deutschland auf dem globalen Markt mithalten kann, brauchen wir gut ausgebildete, innovative Menschen, die mit Start-ups das Risiko einer Unternehmensgründung eingehen. Denn der Innovationsgeist von Gründern ist wichtig für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Wir müssen gründerfreundlicher werden. Wir müssen die Kultur der Selbstständigkeit fördern und die Hürden für Unternehmensgründungen senken. Wir müssen die Begeisterung für eine Start-up-Mentalität in die Gesellschaft tragen – und in die deutschen Amtsstuben.

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