Teutrines modernes Aufstiegsversprechen für die junge Generation

Jens Teutrine, Chef der Jungen Liberalen und gerade einmal 27 Jahre alt, kandidiert für das höchste deutsche Parlament. Im Interview erzählt er, was er für den Wahlkampf lernen musste, bei wem man sich etwas abschauen kann und warum sein Alter nicht zu jung, sondern genau richtig ist.

Jens Teutrine
Jens Teutrine ist einer von über 90 Jungen Liberalen, die sich für das höchste deutsche Parlament bewerben.

Jens, Du bist Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen und bewirbst Dich für den neuen Bundestag. Was antwortest Du Kritikern, die behaupten, dass Du dafür noch zu jung bist?

Das biologische Lebensalter ist aus meiner Sicht weder ein besonderes Qualifikationsmerkmal noch ein Ausschlusskriterium für ein Mandat im Deutschen Bundestag. Das Grundgesetz sieht vor, dass volljährige Personen antreten dürfen. Ich habe sicherlich andere Lebenserfahrungen als jemand, der schon über 50 Jahre alt ist. Unterschiedliche Perspektiven sind für den politischen Betrieb aber doch kein Nachteil, sondern viel mehr eine Bereicherung. Die politischen Entscheidungen der Gegenwart betreffen doch auch besonders die Zukunft meiner Generation. Als junger Mensch setze ich mich für eine Politik ein, die nicht in Legislaturperioden, sondern in Jahrzehnten denkt. Die Wählerinnen und Wähler können selbst entscheiden, ob mein Alter wirklich ein Problem ist oder ob nicht vielmehr Fleiß, Charakter und die Überzeugungen eines Kandidaten entscheidend sind.

Was können sich erfahrenen Parlamentarierinnen und Parlamentarier von Deiner Generation abschauen?

Ich finde es schwierig, solche pauschalen Fragen zu beantworten. Sowohl die erfahrenen Parlamentarierinnen und Parlamentarier als auch die jungen Kandidaten in meiner Generation sind nicht alle gleich, sondern durchaus sehr unterschiedlich. Es gibt erfahrene Parlamentarier, wie beispielsweise Otto Fricke, die alles andere als eingestaubt sind und es gibt junge Bundestagsabgeordnete − ich denke an Philip Amthor − die wirken wie aus der Zeit gefallen. Ich würde mir wünschen, dass Argumente wie „Das haben wir schon immer so gemacht.“ aus dem politischen Diskurs verschwinden. Wir brauchen mehr Mut neu zu denken, auch mal etwas auszuprobieren und vielleicht auch mal zu scheitern. Verkrustete Strukturen müssen häufiger kritisch überprüft werden. Ich glaube, da kann man sich von meiner Generation etwas abschauen.

Was musstest Du für den Wahlkampf lernen?

Zwar ist das nicht mein erster Wahlkampf, den ich mitmache, aber ich kandidiere das erste Mal selbst für ein Parlament. Da gibt es einiges, was man lernt. Erstmal musste ich mich durch ein paar bürokratische Regularien, wie die Formulare für den Wahlvorschlag und Plakatgenehmigungen für zehn Städte und Gemeinden in meinem Wahlkreis, durchkämpfen. Mein größtes Learning im bisherigen Wahlkampf, insbesondere auch aufgrund der Corona-Pandemie, ist etwas abstrakter. Es lautet: Vorbereitung ist gut, aber nicht alles lässt sich planen. Deswegen ist eine gewisse Gelassenheit statt zu viel Verbissenheit ein gutes Mittel, um nicht die Freude am politischen Engagement zu verlieren.

Nimm uns mit in Deinen Wahlkreis: Wie sieht eine typische Wahlkampf-Woche aus?

Das ist sehr unterschiedlich. Eine typische Wahlkampf-Woche gibt es so nicht. Meistens ist es eine Mischung aus organisatorischen Aufgaben, Wahlkampfständen, Austausch mit Verbänden, öffentlichen Diskussionsrunden mit den Kandidaten der anderen Parteien, Verteilung von Flyern und vieles mehr. Was man auf keinen Fall unterschätzen darf, sind die vielen Bürgeranfragen und Verbände, die auf einem zukommen, um die inhaltlichen Positionen zu erfragen und sich auszutauschen. Neben dem Wahlkampf im Wahlkreis beschäftigen mich dann noch einige Wahlkampftermine im ganzen Land und die Bundestagswahlkampagne der Jungen Liberalen. Es wird nicht langweilig.

Was macht Dir dabei besonders Spaß?

Ich gehe am liebsten auf die Podiumsdiskussionen, bei denen der politische Mitbewerber denkt, es wäre ein Heimspiel für ihn. Ich mache Haustürwahlkampf in einigen Wohngebieten, wo die FDP in der Vergangenheit stark unterdurchschnittlich abgeschnitten hat. Ich präsentiere Forderungen aus unserem FDP-Wahlprogramm, die weniger bekannt sind. Ich mag es, die eigene Komfortzone zu verlassen. Nach über 18 Monaten Pandemie muss ich mich für digitale Veranstaltungen immer etwas selbst motivieren. Auch wenn die Veranstaltungen auch Spaß machen, macht mir der persönliche Kontakt in Präsenz mehr Freude.

Welche Themen sind Dir besonders wichtig?

Mein absolutes Herzensthema ist die Erneuerung des Aufstiegsversprechens der sozialen Marktwirtschaft. Viel zu häufig entscheidet der soziale Hintergrund, die Herkunft und der Geldbeutel der Eltern über den späteren Lebensweg. Die Pandemie hat psychische Erkrankungen, wirtschaftliche Nöte und Bildungsungerechtigkeiten noch weiter verschärft. Das betrifft insbesondere die Kinder und Jugendlichen, die sowieso bereits schwierige Startchancen haben. Doch diese Kinder sind nicht dümmer, fauler oder weniger begabt als andere Kinder. Sie haben es verdient, dass wir mehr für sie tun. Als Liberale wollen wir Flügelheber sein für die, die vorankommen wollen und sich dafür anstrengen. Wieso dürfen Jugendliche aus Familien, die Hartz 4 bekommen, von ihren 450-Euro-Nebenjob nur 170 Euro behalten? Warum startet die Wirtschaft in anderen Regionen der Welt durch, während wir in Deutschland Arbeits- und Ausbildungsplätze durch hohe Steuern und Bürokratie gefährden? Wann modernisieren wir endlich unser Bildungssystem? Es gibt verdammt viel zu tun.

Bei wem kann man sich in Sachen Wahlkampf etwas abschauen?

Die Antwort überrascht jetzt nicht wirklich: von Christian Lindner. Er ist ein begnadeter Wahlkämpfer und auch aktuell wieder in Topform. Man kann einiges von den anderen politischen Lagern lernen. Inhaltlich vertrete ich zwar eine vollkommen andere politische Grundrichtung, dennoch sind die Kampagnen der demokratischen Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez durchaus eine Blaupause für politische Kommunikation. 2018 gewann sie als vollkommener Underdog gegen den Fraktionsvorsitzenden der Demokraten die Vorwahl um den Kongressbezirk. Sie war unkonventionell, hat zugespitzt, ihre politischen Aussagen waren klar und verständlich. Ihr Wahlkampf war leidenschaftlich und bürgernah. Ich empfehle die Netflix-Doku „Frischer Wind im Kongress“. Da gibt es einen interessanten Blick hinter die Kulissen. Davon kann man sich einiges abschauen.