Chancen hängen immer noch sehr stark vom Elternhaus ab

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger kritisiert: "Chancen hängen leider noch immer sehr stark vom Elternhaus ab, auch der Aufstieg in die sogenannte Mittelschicht dauert viel zu lange. Das kann uns nicht ruhen lassen."

Bettina Stark-Watzinger
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger setzt sich für mehr Chancengerechtigkeit ein. © BMBF/Rickel

In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sprach die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger über ihren eigenen Aufstieg, den Respekt für Lebenswege und die Ukraine als digitales Vorbild. Stark-Watzinger stellte mit Blick auf die Rolle des Elternhauses bei den Aufstiegschancen klar: „Das kann uns nicht ruhen lassen.“ Für die Freien Demokraten sind daher Chancengerechtigkeit und das Aufstiegsversprechen besondere Anliegen. „Das Ziel ist, dass jeder frei entscheiden kann, welchen Weg er wählt.“ Entscheidend sei dabei nicht, dass am Ende jede und jeder den erfolgreichsten Weg auch wirklich gegangen ist. Aber jeder muss zunächst die Chance darauf haben.

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Lebenschancen angleichen und Wahlmöglichkeiten schaffen

Besonders die Chancengleichheit ist für Stark-Watzinger ein zentrales Anliegen. „Wir sind noch nicht da, wo wir sein müssten und wo wir alle hinwollen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass wir ein reiches Land sind und alle Voraussetzungen haben, es besser zu machen.“ So sei etwa der Bildungszugang für Kinder aus Familien, die in schwierigeren Umständen leben, „oder weil gar nicht die Freiräume da sind, über gute Bildung nachzudenken“, besonders schwer. „Ich denke da zum Beispiel an eine alleinerziehende Mutter, die erst schauen muss, wie sie finanziell überhaupt über die Runden kommt.“

Für die Bildungsministerin ist daher klar: Der Staat muss Lebenschancen angleichen und Wahlmöglichkeiten schaffen. Das Ziel müsse sein, dass jede und jeder frei entscheiden könne, welchen Weg man geht. „Entscheidend ist nicht, dass am Ende jeder den erfolgreichsten Weg auch wirklich gegangen ist. Aber jeder muss zunächst die Chance darauf haben“, betonte sie. Dazu brauche es auch ein Lebenschancen-BAföG, denn „es ermöglicht den Menschen, sich auch später im Leben neu zu orientieren, und vergrößert so die individuelle Freiheit.“

Auch die frühkindliche Bildung müsse gestärkt werden. Denn: „Wir wissen heute, dass die ersten fünf Jahre im Leben sehr prägend sind. Da werden die Grundlagen für den späteren Lebensweg gelegt.“ Bei Kitas und Ganztagsschulen komme es daher nicht nur auf die Anzahl der Plätze an, sondern auch darauf, was dort passiere. Besonders für Kinder mit Migrationsgeschichte seien Kitas und Ganztagsschulen ein wichtiger Ort, um nicht nur von der Muttersprache umgeben zu sein. Kitas müssten daher mehr zu Familienzentren und die Ganztagsbetreuung als Chance gesehen werden, erklärte die FDP-Politikerin. Deshalb engagiere sich der Bund mit mehreren Milliarden Euro beim Ausbau der Ganztagsschulen. „Mit unserem Startchancen-Paket wollen wir genau in diese Richtung gehen: Das Geld sollen die Schulen bekommen, an denen es besonders gebraucht wird, etwa mit einem hohen Anteil an Schülern, die kein Deutsch sprechen.“

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Wir brauchen eine klare Aufgabenteilung, mit klaren Standards

Um die Bildungschancen zu stärken, brauche es zudem eine neue Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern mit klaren Standards, betonte die Bildungsministerin. „Im Moment haben wir einen Flickenteppich an Maßnahmen, auf dem wir uns gegenseitig behindern“. Entscheidungen sollten statt auf Bundes- oder Landesebene in sehr selbständigen Schulen mit eigenen pädagogischen Konzepten getroffen werden. „In Skandinavien oder den Niederlanden ist das zum Beispiel so, und das schlägt sich in den Bildungserfolgen nieder. Andere Entscheidungen gehören dafür auf höhere Ebenen“, erläuterte Stark-Watzinger.

Besonders bei der Digitalisierung komme es nicht darauf an, dass „jeder Lehrer zum Experten für Digitalisierung“ werde oder „jede Schule eine eigene Plattform entwickelt“. So zeige etwa auch die Ukraine, die das Schulsystem in den letzten Jahren digital aufgestellt hat, welche Chance in der Digitalisierung stecke. „Die Kinder können sich einerseits hier in die Schule integrieren, andererseits können sie weiter ihre alte Schule besuchen. Das ist besonders für die älteren Jahrgänge wichtig.“ Das zeige das Potential digitaler Bildung. Der Bund gebe daher dort, wo es die Verfassung erlaube, zusätzlich Geld ins System. Dennoch sei es auch Sache der Bundesländer, die Kommunen grundsätzlich besser auszustatten.

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Berufsausbildungen sind nicht weniger wert als ein akademischer Abschluss

Die Bildungsministerin stellte auch klar, dass es darum gehe, Leistung breiter zu definieren. „Es müssen nicht alle studieren. Wir haben viele verschiedene Talente, wir haben verschiedene Bildungswege und Abschlüsse. Eine Berufsausbildung ist nicht weniger wert als ein akademischer Abschluss.“ Es sei kein Stigma oder Fehler, wenn man eine Arbeit ausübe, die nicht so hohe Bildungsanforderungen stelle. „Es muss aber immer die Möglichkeit geben, sich ein Stück weit zu verändern“, forderte Stark-Watzinger. So biete beispielsweise der Flughafen Frankfurt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viele Möglichkeiten zur Weiterbildung. „Der ein oder andere Packer von heute macht übermorgen vielleicht schon etwas ganz anderes. Das müssen wir stärken.“

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