Mit neuen Technologien Deutschlands Energieversorgung sichern

FDP-Präsidiumsmitglied und Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat der fdplus, dem Mitglieder-Magazin der Freien Demokraten, ein Interview über künftige Energie-Innovationen gegeben.

Bettina Stark-Watzinger
Bildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger will, dass Deutschland bei der Energieversorgung unabhängiger wird. © BMBF/Rickel

Frau Stark-Watzinger, als Forschungsministerin beschäftigen Sie sich auch mit der Zukunft der Energieversorgung. Welche Energie-Innovationen sind für Deutschland besonders relevant?

Der furchtbare russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat es uns noch einmal vor Augen geführt: Bei der Energiepolitik geht es nicht nur um Nachhaltigkeit, Bezahlbarkeit und Verfügbarkeit, sondern auch um Sicherheit. Wir müssen bei der Energieversorgung souveräner werden. Idealerweise mit Partnern, die unsere Werte teilen: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Ich tue alles dafür, dass wir bei der Energieversorgung so schnell wie möglich vorankommen. Denn wir müssen Erdöl, Erdgas und Kohle mittelfristig durch klimaneutrale Energie ersetzen. Dafür brauchen wir ein Portfolio an neuen Technologien, Geschäftsmodellen und Ansätzen. Grundlage dafür ist eine starke Forschung und ein höheres Innovationstempo. Daran arbeiten wir. Besonders wichtig ist mir dabei der Grüne Wasserstoff.

Sie haben es bereits angesprochen: Der mit Wind- oder Sonnenenergie hergestellte Grüne Wasserstoff gilt als Schlüsselelement für eine klimaneutrale Wirtschaft. Doch haben wir für diese Technologie in Deutschland überhaupt die passenden Voraussetzungen?

Wenn wir unsere Potenziale an Wind- und Sonnenenergie effizient nutzen, können wir durchaus einen Teil unseres Bedarfs an Grünem Wasserstoff selbst decken. Das hat erst kürzlich eine Studie gezeigt, die mein Haus finanziert hat, der Wasserstoffatlas Deutschland. Den größeren Teil aber werden wir importieren, so wie wir bisher Öl, Gas und Kohle importieren. Beim Grünen Wasserstoff haben wir die Chance, von Anfang an auf Lieferländer zu setzen, auf die wir uns verlassen können und die unsere Werte teilen. Und zwar ohne uns von einzelnen Ländern abhängig zu machen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert dazu Partnerschaften mit Ländern wie Australien oder Namibia, die besonders gute Voraussetzungen für die Produktion von Grünem Wasserstoff haben. Aber auch einige europäische Länder wie Irland oder Spanien haben großes Potenzial. Ob in Australien, Afrika oder Europa: Unser Ziel sollte sein, dass grüner Wasserstoff dort mit deutscher Spitzentechnologie erzeugt wird. Davon profitieren dann beide Seiten. Um die enormen Exportchancen für unsere Technologien nutzen zu können, brauchen wir aber auch einen Heimatmarkt, in dem wir unsere Technologien selbst erfolgreich einsetzen.

Kann Grüner Wasserstoff bei einer verschärften Gaskrise bei unserer Versorgungssicherheit helfen?

Ja, denn Grüner Wasserstoff hat das Potenzial, Erdgas und andere fossile Energieträger in sehr vielen Bereichen zu ersetzen. Leider steht grüner Wasserstoff heute aber noch nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung. Um die Energiekrise zu überwinden, braucht es dreierlei: Erstens können wir mit modernen Technologien und Anreizen die zur Verfügung stehenden Energieträger deutlich effizienter einsetzen und damit den Verbrauch senken. Zweitens hilft die Diversifizierung der Energieversorgung. Und drittens müssen wir die Marktreife der Wasserstoffwirtschaft mit Hochdruck vorantreiben.

Mit welchen Maßnahmen unterstützt Ihr Ministerium Kommunen und Unternehmen dabei, die Wasserstoffwirtschaft aufzubauen?

Mir ist ganz wichtig, dass unsere Projekte nicht nur wichtige Forschungsergebnisse liefern, sondern auch einen Unterschied in der Praxis machen. Deshalb arbeiten beispielsweise in unseren Wasserstoff-Leitprojekten Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen eng zusammen. So überwinden wir technologische Hürden nicht nur theoretisch, sondern bereiten Innovationen vor, die auch schnell zum Einsatz kommen können.

Ein anderes Beispiel ist der bereits angesprochene Wasserstoffatlas. Er ist eine wichtige Hilfestellung zum Beispiel für Kommunen und mittelständische Unternehmen, denn er zeigt, wo sich welche wirtschaftlichen Chancen auftun. Trotz der guten Ansätze, die wir schon haben, müssen wir beim Thema Transfer unserer Forschungsergebnisse in die wirtschaftliche Praxis noch besser werden.

Auch die Kernfusion bietet große Chancen für unser künftiges Energiesystem. Wie wird die Umsetzung dieser Zukunftsenergie gefördert?

Die Fusion könnte als kontinuierlich verfügbare Energiequelle in Ergänzung zu den erneuerbaren Energien einen wichtigen Beitrag zur Abdeckung der Grundlast im Stromnetz leisten. Ziel ist es, eine nicht auf fossile Energieträger angewiesene und damit CO2-neutrale, verlässliche und wirtschaftlich nachhaltige Energiequelle zu erschließen.

Mein Haus unterstützt die Fusionsforschung seit vielen Jahren. Von internationaler Bedeutung sind die sehr erfolgreichen nationalen Großprojekte Wendelstein 7-X in Greifswald und ASDEX Upgrade in Garching. Wenn alles gut geht, soll der erste kommerzielle Fusionsreaktor ab 2055 Fusionsenergie liefern.

Wie sieht Ihre Vision für Deutschlands Energieversorgung aus?

Das Ziel ist klar: Wir wollen bis 2045 klimaneutral werden. Dazu haben wir uns im Koalitionsvertrag bekannt. Gleichzeitig muss Energie bezahlbar sein, und wir können keine Kompromisse bei der Versorgungssicherheit eingehen. Mit unserer Forschungsförderung sind wir ein Schlüsselressort, um diese Jahrhundertaufgabe zu bewältigen. Wichtig ist mir dabei, dass wir an verschiedenen Lösungen forschen und auch disruptive Fortschritte anregen. Das sind technologische Durchbrüche, die wir heute noch gar nicht im Blick haben.

Neben Forschung und Technologieentwicklung: Was ist noch notwendig, damit diese Vision Wirklichkeit wird?

Wir müssen die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Die Energiewende braucht einen Rahmen, der Innovationen und Investitionen anregt und nicht durch überflüssige Bürokratie behindert. Zudem brauchen wir den ständigen Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik sowie Bürgerinnen und Bürgern. Denn die Energiewende gelingt nur, wenn sie Akzeptanz findet.

Auch hier sind wir als Forschungsministerium aktiv. Im August habe ich die Ausstellung „Power2Change: Mission Energiewende“ in Hattingen eröffnet. Sie zeigt nicht nur anschaulich und interaktiv, an welchen Zukunftstechnologien unsere Energieforschung arbeitet. Sie setzt darüber hinaus mit vielen Veranstaltungen und Aktionen auf einen intensiven Dialog. Wir sprechen damit bewusst auch junge Menschen an. Denn vielen ist das Thema sehr wichtig und zudem bietet die Branche sehr gute berufliche Chancen. Wir brauchen schon heute die Fachkräfte von morgen.