Antragsbuch für den 75. Ordentlichen Bundesparteitag

BFA Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Überregulierung verhindern – kein pauschales PFAS-Verbot!

Überregulierung verhindern – kein pauschales PFAS-Verbot!

  • Die FDP bekennt sich zur Chemieindustrie in Deutschland.
  • Grundsätzlich bekennen wir uns zum risikobasierten Ansatz bei der Bewertung von Stoffen.
  • Die Regulierung der Nutzung von Chemikalien muss den Nutzen der Chemikalien wie auch die Gefährlichkeit der Stoffe berücksichtigen. Dabei steht im Vordergrund, einen Regulierungsrahmen zu schaffen, der die risikofreie Nutzung der Stoffe vorsieht.
  • Weitgehend pauschale Regulierungsvorschläge wie die des sogenannten „PFAS-Verbotsverfahren“ über die Regulierung von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vom 07.02.2023 lehnen wir ab.
  • Um zu verhindern, dass künftig erneut einseitige, ungeprüfte und nicht abgewogene Regulierungsvorschläge bei der ECHA aus Deutschland eingereicht werden, wollen wir das Chemikaliengesetz (ChemG) ändern und das Recht, Regulierungsvorschläge einzureichen, in die Hand des Parlaments legen.
  • Die FDP wird sich dafür einsetzen, dass auf europäischer Ebene über die ECHA begonnene PFAS-Regulierungsverfahren schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen. Hierzu kann es notwendig sein, dass über 10.000 Stoffe umfassende Verfahren aufzuteilen und sukzessive abzuarbeiten. Damit können Regulierungsteile an die EU-Kommission übergeben werden, die dann in der Lage ist, für die jeweiligen Stoff-Untergruppen schnell Rechtssicherheit und damit für die Industrie Investitionssicherheit zu schaffen. Damit schützen wir Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland und Europa.

Begründung:

Anfang 2023 hat die Bundesrepublik Deutschland über das Umweltbundesamt (UBA) einen Regulierungsvorschlag zum weitgehenden Verbot des Einsatzes von sog. PFAS (per- und polyfluorierten Chemikalien) bei der ECHA eingereicht. Die ECHA ist die europäische Behörde, die sich um die Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien kümmert. Diesem Vorgang war ein Verfahren der Behörden UBA, BAuA (Bundesanstalt für Arbeitsschutz- und Arbeitsmedizin) und BfR (Bundesamt für Risikoforschung) vorangegangen, in welchem der Vorschlag erarbeitet wurde. Das Verfahren fand vollständig ohne Beteiligung der Politik statt, die beteiligten Stimmen der Industrie warfen den Behörden vor, ihre Einwendungen nicht berücksichtigt zu haben.

Zum ersten Mal in der Geschichte wurde so – hinter dem Vorhang der Bürokratie – ein Regulierungsverfahren für über 10.000 Stoffe gestartet, was praktisch alle Lebensbereiche und Wirtschaftszweige betrifft. Vom Maschinenbau über Medizintechnik, Optik, Elektrotechnik, Automotive bis hin zur bekannten Teflonpfanne und der Outdoorbekleidung – PFAS findet man überall.

Das liegt daran, dass es sich bei den PFAS um eine Stoffgruppe handelt, die lediglich eine Sache eint: Die Persistenz, d.h. die dauerhafte Haltbarkeit der Stoffe auch bei starken Umwelteinflüssen.

Bekanntermaßen hat es in der Vergangenheit auch Skandale über den Austritt von PFAS in die Umwelt in Deutschland und Europa gegeben. Beispielsweise wurden in Rastatt und Mannheim durch das Vermengen von Papierschlämmen mit Kompost PFAS verunreinigte Massen auf Ackerflächen ausgebracht. Auch sind Löschschäume mit PFAS versetzt, so dass bei Brandlöschaktionen regelmäßig PFAS in die Umwelt gelangen können. Da PFAS dauerhaft haltbar sind, reichern sie sich bei deren Austritt dauerhaft in der Umwelt an.

Daher ist es richtig, dass die PFAS-Regulierung nicht nur in der Vergangenheit weiterentwickelt wurde, sondern stetig weiterentwickelt wird.

Allerdings ist es auch die Eigenschaft der Persistenz, welche von der modernen Gesellschaft genutzt wird. So werden viele Medizinprodukte mit PFAS hergestellt, um ein Diffundieren in den Köper zu verhindern. Schutzbekleidung und Dichtungen von Industrieanlangen sind weitere anschauliche Beispiele, in denen ein abbaubarer Stoff nicht die Sicherheit bieten würde, die wir uns für Mensch und Umwelt wünschen.

Zudem ist auch das Gefahrenpotential für Mensch und Umwelt bei den über 10.000 Stoffen sehr unterschiedlich – es gibt „PFAS of high concern“, deren Nutzung von einem deutlich höherem Risko begleitet wird als „PFAS of low concern“, die zwar ebenfalls nicht in die Umwelt gehören, die aber nicht reaktiv sind und damit keine Umwelt- und Gesundheitsschäden auslösen.

Um den unterschiedlichen Gefahren- und Risikopotentialen, den unterschiedlichen Anwendungen und der globalen Perspektive der Regulierung Rechnung zu tragen, muss bei der Weiterentwicklung der bestehenden Regulierung weiterhin ein differenzierter Ansatz gewählt werden.

Der am 07.02.2023 von der ECHA vorgestellte Regulierungsentwurf schafft nicht die notwendige Differenzierung bei der Beurteilung der unterschiedlichen PFAS:

  • Es wurden Ausnahmen für medizinische Anwendungen implementiert. Jedoch sind nicht alle medizinischen Anwendungen ausgenommen (zum Beispiel chirurgische Netze). Die Abgrenzung ist willkürlich. Selbst wenn neue Produkte hier entwickelt werden würden, würde die Übergangszeit von 12 Jahren nicht für eine Zulassung der Medizinprodukte ausreichen.
  • Schutzbekleidung für die Polizei wurde ausgenommen, für die Feuerwehr nicht.
  • Allgemein soll gelten, dass allen Anwendungen ohne Ausnahme aus den Bereichen Sicherheit und Medizin die Nutzung von PFAS 12 Jahre nach Inkrafttreten der Regulierung verboten wird. Welche Konsequenzen dies für Wirtschaft und Gesellschaft aufgrund der Breite des Verbots hat, kann heute nicht abgesehen werden.

Die FDP stellt klar, dass der Anfang 2023 über das Umweltbundesamt für Deutschland eingereichte Regulierungsvorschlag von PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) bei der ECHA ohne Beschluss der Bundesregierung erfolgte und damit nicht mit Einverständnis der Bundesregierung.

Aufgrund der Größe und des Umfangs des Dossiers liegen bei der ECHA über 5.600 Einwendungen vor. Eine noch nie dagewesene Beteiligung bei einem Beschränkungsverfahren. Daher wurde der bisherige Zeitplan überarbeitet. Mit einer Bewertung der ECHA ist nicht vor 2026 zu rechnen, die dann folgende Entscheidung der EU folgt damit frühestens 2027. Bis dahin stagnieren Entscheidungen und Investitionen in den Wirtschaftszweigen in denen PFAS genutzt werden – und damit in praktisch allen Bereichen.

Eine Rücknahme des Antrags durch Deutschland würde nicht zur Rücknahme des Verfahrens führen, da vier weitere Länder den Antrag gestellt haben. Daher ist auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken, um schnellstmöglich Planungssicherheit zu haben. Eine Beschleunigungswirkung kann jedoch erzielt werden, wenn die Kommission und die ECHA die Regulierung in Teilbereiche aufteilt und sukzessive abarbeitet.

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