Autokraten stoppt man nicht mit Pazifismus

Als Kind erlebte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai den ersten Golfkrieg mit. Im Gespräch mit „Zeit Online“ spricht er über seine Erinnerungen an den Krieg und wie diese Erfahrung ihn geprägt hat.

Entschlossener Djir-Sarai vor Haus
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai: "Autokraten und Diktatoren stoppt man nicht mit Pazifismus." © Laurence Chaperon

Eine seiner ersten Kindheitserinnerungen seien Luftangriffe auf seine Heimatstadt Teheran, erklärte Djir-Sarai. „Ich konnte als kleines Kind aus der Situation keine direkte Bedrohung für mich ableiten. Das kam erst später.“ Er erinnerte sich, dass das Leben trotz Luftalarm scheinbar normal weitergegangen sei. „Man verdrängt den Krieg, obwohl man im Krieg lebt.“

In der Schule seien die Kinder von Lehrern dazu aufgerufen worden, an die Front zu gehen und zu kämpfen, berichtete Djir-Sarai im Interview mit „Zeit Online“. „Viele Kinder sind damals freiwillig in den Krieg gezogen, andere wurden vor der Schule oder dem Kino geschnappt und an die Front geschickt.“ Deswegen sei er auch von seinen Eltern nach Deutschland geschickt worden: „Mein damaliges Alter war das bevorzugte Alter für Kindersoldaten.“

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Träume und Pläne für ein Leben in Frieden

Als Junge habe er von einem Leben in Frieden geträumt, so Djir-Sarai. „Für mich bedeutete es damals die Welt.“ Er sei allerdings dadurch nicht zum Pazifisten geworden: „Ich bin Realist. Autokraten und Diktatoren stoppt man nicht mit Pazifismus.“ Das sei nur durch glaubwürdige Abschreckung möglich.

Er sage dies in vollem Bewusstsein des immens hohen Preises, der mit einem Krieg verbunden sei. Denn die seelischen Narben, die ein Krieg bei denjenigen hinterlasse, die ihn erlebten, begleiteten sie ein Leben lang, stellte Djir-Sarai klar. Er könne beispielweise bis zum heutigen Tag nicht an Silvesterfeuerwerk finden, denn durch die Geräusche von Böllern und Raketen kämen die Erinnerungen an den Krieg zurück.

Ukraine braucht entschlossene Unterstützung

Djir-Sarai stellte mit Blick auf den brutalen russischen Angriffskrieg in der Ukraine klar, dass Deutschland und Europa das Land entschlossen bei der Selbstverteidigung unterstützen müssten. „Ich halte es für absolut notwendig, der Ukraine schwere Waffen zu liefern.“ Denn: „Wenn Putin diesen Krieg schnell gewonnen hätte, wäre kein Land in Europa mehr sicher.“ Der Preis, der dann zu zahlen gewesen wäre, „wäre unermesslich“. Der FDP-Generalsekretär ist überzeugt, dass der russische Präsident immer weiter machen und noch mehr Menschen sterben würden.

Frieden, Freiheit und Demokratie sind nicht selbstverständlich

Es sei ein großes Glück, dass viele Menschen heute keine Vorstellung mehr davon hätten, was Krieg wirklich bedeute, unterstrich Djir-Sarai. „Wir müssen uns wieder bewusst machen, wie privilegiert wir sind, dass wir in Deutschland in Frieden und Freiheit leben.“ Es sei deswegen in der aktuellen Lage essenziell, wieder mehr in die Bundeswehr zu investieren, die Truppe aufzurüsten und die Ukraine zu unterstützen. Dabei dürfe jedoch nicht in Kriegsrhetorik verfallen werden. Deswegen sei es wichtig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz mit Bedacht agiere. Denn: „Deutschland darf auf keinen Fall Kriegspartei werden.“