Das Lebenselixier unserer demokratischen Verfassung
Für Wolfgang Kubicki ist Meinungsfreiheit grundlegend für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. Beginnt der Staat, Meinungen in „gute“ und „krude“ zu sortieren, geht für ihn das demokratische Fundament unserer Verfassung verloren.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki sieht die Meinungsfreiheit in Deutschland zunehmend unter Druck. Der jüngste Auftritt der neuen Bundesfamilienministerin Karin Prien auf der Digitalkonferenz re:publica ließ Kubicki aufhorchen. Dort sagte Prien, dass man nicht um Regulierung herumkomme, wenn man das liberale, demokratische System retten wolle. Damit knüpfe Prien, so Kubicki, „nahtlos an die freiheitsfeindliche Agenda ihrer Vorgängerin an“.
Ein liberales, demokratisches System sei nicht mit illiberalen Mitteln zu retten. Wer zur Verteidigung der liberalen Demokratie zuerst auf die Instrumente von Autokraten zurückgreife, habe sich auf dem Weg zur Rettung der Demokratie bereits verirrt. Denn: Die Meinungsfreiheit sei das „Lebenselixier unserer demokratischen Verfassung“. Ohne sie sei ein demokratischer Staat nicht denkbar, ist Kubicki überzeugt. Das Grundgesetz gehe dabei ausdrücklich nicht davon aus, dass Meinungsfreiheit nur dann besonders schützenswert sei, wenn die geäußerten Ansichten das Gütesiegel „demokratisch“ tragen.
Der Koalitionsvertrag verwischt die Grenzen der Meinungsfreiheit
„Mich erschüttert die Selbstverständlichkeit, mit der Politikerinnen und Politiker parteiübergreifend auf diesem abschüssigen Pfad wandeln.“ Natürlich sei es wichtig, auch in sozialen Medien Recht durchzusetzen – wer aber darüber hinaus glaube, die öffentliche Debatte staatlich steuern zu können, nur weil manche Positionen als „krude“ gelten, habe weder das Wesen der Meinungsfreiheit noch die Rolle demokratischer Politiker im Meinungskampf verstanden, erläutert Kubicki.
Priens Äußerungen wertet der FDP-Vize nicht als einmaligen Ausrutscher, sondern als Teil einer länger anhaltenden Entwicklung in der politischen Kultur. „Die traurige Wahrheit ist, dass Frau Prien auf der re:publica nur das wiederholt hat, was der Koalitionsvertrag der Merz-Regierung bereits festgeschrieben hat“, ordnet Kubicki ein. Darin heißt es: „Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.“
Kubicki warnt davor, dass der Koalitionsvertrag damit die Grenzen der Meinungsfreiheit verwische. Denn: Was ist Wahrheit? „Wenn jemand sagt ‚Gott existiert‘ – ist das dann wahr oder unwahr? Für manche ist das eine Wahrheit, für andere eine krude Theorie“, gibt er zu bedenken.
Der Staat soll Bürger nicht erziehen
Besonders kritisch sieht Kubicki den Rückgriff auf unbestimmte Begriffe wie „Informationsmanipulation“ oder „Hass und Hetze“. Diese seien keine klar definierten Rechtsbegriffe und wirkten wie „eine Einladung, gegen jede missliebige, unbequeme oder vermeintlich irre Meinung vorzugehen“. Schon heute herrsche in der Gesellschaft eine weit verbreitete Angst vor Repression aufgrund von Meinungsäußerungen. Der Staat dürfe seine Bürgerinnen und Bürger nicht wie unmündige Kinder behandeln, die man vor sich selbst schützen müsse. „Das hat der neue Kanzler leider nicht verstanden – und das ist fatal.“
Meinungen lassen sich nicht regulieren – davon ist Kubicki überzeugt. Noch keiner Gesellschaft habe es gutgetan, den freien Diskurs einzuschränken. Statt auf immer neue Eingriffe zu setzen, wäre es aus seiner Sicht klüger, wenn die Bundesregierung mehr Vertrauen in die Kraft der Freiheit hätte – selbst dann, wenn dabei auch schrille, unbequeme oder regierungskritische Stimmen lauter werden.
Für Kubicki steht fest: Die FDP muss sich klar positionieren. „Freiheit! Wenn Leute auftauchen und anderen vorschreiben wollen, wie sie ihr Leben zu führen haben, dann ist es unsere Aufgabe zu sagen: So nicht.“