Ein Finanzminister für alle

Unser Land durch liberale Inhalte nach vorne zu bringen, ist entscheidend. Die fdplus sprach mit Christian Lindner über die Schlüsselrolle der Freien Demokraten.

Christian Lindner

Herr Lindner, wie hat sich Ihre Rolle durch Ihr Amt als Bundesminister der Finanzen verändert?

Meine Aufgabe bisher war es, Politik aus der Opposition heraus zu verändern. Manchmal musste ich dafür den Finger in die Wunde legen. In meiner neuen Rolle möchte ich aus der Regierung heraus Gutes für unser Land bewirken. Mich leitet dabei mein liberaler Kompass. Generell möchte ich ein Bundesfinanzminister sein, der auch diejenigen Bürgerinnen und Bürger vertritt, die diese Regierungskonstellation vielleicht nicht gewählt haben.

Mit Freude sehe ich, dass unsere Partei nun auch personell wesentlich breiter wahrgenommen wird. Bettina Stark-Watzinger, Dr. Volker Wissing und Dr. Marco Buschmann vertreten als kompetente Bundesminister liberale Werte im Kabinett. Und mit Christian Dürr und Bijan Djir-Sarai sorgen zwei starke Persönlichkeiten dafür, dass Fraktion und Partei auch im Rahmen unserer Regierungsbeteiligung als eigenständig und selbstbewusst wahrgenommen werden.

Die Regierung hat eine neue Form der internen Kommunikation angekündigt. Ist das gelungen?

Als Finanzminister ist mir an einem direkten Draht zu allen Kolleginnen und Kollegen gelegen. Angesichts der großen Herausforderungen und des erheblichen Modernisierungsbedarfs in Deutschland werden die vor uns liegenden Gespräche intensiv. Dafür braucht es einen engen Kontakt, aber auch Vertrauen und Professionalität. Das ist vorhanden. Trotz aller Unterschiede finden wir immer wieder Gemeinsamkeiten.

Besteht nicht dennoch die Gefahr, dass liberale Vorhaben in künftigen Projekten übergangen werden?

Mit dem Verzicht auf Steuererhöhungen und dem Festhalten an der Schuldenbremse haben wir zwei zentrale Wahlversprechen durchgesetzt, die es ohne die Freien Demokraten nicht geben würde. Das sind die Leitplanken, zwischen denen die Politik der Regierung sich bewegen muss. Als Vorsitzender der FDP setze ich mich aber natürlich unvermindert für Entlastungen ein, insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund der drastisch gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise.

Die Inflation trifft Betriebe, Bürgerinnen und Bürger sehr hart. Wir haben deshalb in der Ampel-Koalition ein Entlastungspaket auf den Weg gebracht, das die breite Mitte der Gesellschaft noch in diesem Jahr kurzfristig um mehrere Milliarden Euro entlasten wird. Das Paket beinhaltet unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage, die nachträgliche Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags und des Arbeitnehmerpauschbetrags bei der Steuer sowie weitere Maßnahmen für einkommensschwächere Haushalte. Für dieses Jahr sind das erste wichtige und richtige Schritte. Mir ist allerdings auch klar, dass weitere folgen müssen.

Der Staat muss Freiräume schaffen. Denn nur mit einer prosperierenden Marktwirtschaft werden wir die Weichen für die Transformationen der Zukunft stellen können. Leider aber gibt es nicht für jeden Entlastungsschritt, den ich mir wünsche, derzeit eine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Das wäre in einer Regierungskonstellation unter Einschluss der Union allerdings nicht anders gewesen.

Die Ampel-Koalition besteht aus drei sehr unterschiedlichen Partnern. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die FDP?

Uns Freien Demokraten kommt in dieser Bundesregierung eine Schlüsselrolle zu. Ich sehe uns als ordnungspolitisches Gegengewicht. Wir bürgen dafür, dass die Soziale Marktwirtschaft in der Regierung eine starke Stimme hat. Mit SPD und Grünen haben wir zurzeit zwei Partner, die mir gewiss nicht widersprechen, wenn ich sage, dass sie sich links der Mitte positionieren. Sie setzen stark auf Lenkung durch den Staat, vor allem in der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Auf der anderen Seite sehe ich eine Union, die aus der Opposition heraus teilweise sehr klassische Positionen vertritt, die sie aber in 16 Jahren Regierung nie umgesetzt hat. Wir Freie Demokraten verstehen uns als Partei der Mitte. Auch ein Ampel-Bündnis auf Bundesebene macht uns nicht zum Teil eines politischen Lagers. Wir regieren in unterschiedlichen Konstellationen – in einem Jamaika-Bündnis in Schleswig-Holstein zum Beispiel, in einer Deutschland-Koalition in Sachsen-Anhalt oder mit einer sehr erfolgreichen schwarz-gelben Koalition in Nordrhein-Westfalen. Bei Koalitionen ist für uns immer entscheidend, dass wir liberale Inhalte durchsetzen können. Der FDP kommt jetzt die herausfordernde Aufgabe zu, unser Land in der Mitte zu halten und es gleichzeitig nach vorne zu bringen.