FDP ist Anwalt der aufbruchsbereiten Mitte

Den politischen Auftakt in das Wahljahr 2022 machten die Freien Demokraten mit ihrem Dreikönigstreffen. Ihr Signal aus Stuttgart: Nun fängt die Arbeit erst richtig an.

Christian Lindner
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner betont die Eigenständigkeit seiner liberalen Partei auch in der neuen Bundesregierung.

Mit dem Dreikönigstreffen sind die Freien Demokraten im angestammten Stuttgarter Opernhaus, in dem sich sonst rund 1.400 Liberale am Dreikönigstag zum Start in das politische Jahr versammeln, in das Wahljahr 2022 gestartet. Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP und Bundesminister der Finanzen, der auch dieses Mal wegen der Corona-Pandemie vor leeren Rängen sprach, nutzte auch unter diesen außergewöhnlichen Umständen die Gelegenheit, um zu skizzieren, wie die Freien Demokraten in der neuen Bundesregierung einen Aufbruch für das Land einleiten wollen: Mit der „Politik einer aufbruchbereiten Mitte, die die Zukunft gestalten will und nicht von der Vergangenheit träumt“, sagte er in seiner rund 50-minütigen Rede, die virtuell im Internet und im Fernsehen zu verfolgen war. 

Er bekräftigte in seiner Rede die Eigenständigkeit seiner Partei auch in der mit SPD und Grünen eingegangenen Ampel-Koalition – und ihre großen Ambitionen. Es sei nötig, diese auf ein solides wirtschaftliches Fundament zu stellen. Lindner will damit auch das Aufstiegsversprechen wieder mit Leben füllen. Er betonte: „Wir Liberale haben großen Respekt vor den Menschen, die schon etwas geschafft haben, ihre Frau, ihren Mann im Leben stehen können. Aber unser Herz gehört denjenigen, die es noch zu etwas bringen wollen. Die ihre Chance finden wollen. Diejenigen, die sich erst auf den Weg machen wollen, die brauchen eine Lobby. Die Einsteiger, die Aufbrechenden, die Start-ups, die Außenseiter, die Newcomer – für die machen wir uns stark.“

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Im weiteren Verlauf seiner Rede hob er die wichtigsten inhaltlichen Kernpunkte der Liberalen in der Ampelregierung mit SPD und Grünen hervor. Dazu zählte neben der Bildungs- und Sozialpolitik auch die Klimapolitik. Hier sei es bereits gelungen, den Diskurs weg von den Debatten über Verbote wie das Tempolimit hin zu „Innovationen in Forschung und Entwicklung“ zu bewegen. Bei der Debatte um „grüne“ Energien stellte sich Lindner hinter die Entscheidung der EU-Kommission, Erdgas als Brückentechnologie hin zu erneuerbaren Energien wie Wasserstoff und Windkraft zu fördern. Atomkraftwerke hingegen seien für Deutschland keine Option. „Kernenergie mag zwar CO2-frei sein, sie ist aber alles andere als nachhaltig“, so der FDP-Vorsitzende.

Lindner, der auch Bundesfinanzminister ist, hob zudem hervor, dass der Nachtragshaushalt von 60 Milliarden Euro ein „kraftvolles Signal der Handlungsfähigkeit“ sei. Trotzdem werde man die ursprünglich für 2021 geplante Kreditaufnahme reduzieren können. Es werde möglich sein, „mehr als zehn Milliarden Euro weniger an neuen Krediten aufzunehmen, als die alte Koalition es tatsächlich vorgesehen hat“. Im Jahr 2023 wolle die Ampel-Koalition zurück zur Schuldenbremse. Außerdem stellte er Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen für 2022 umfangreiche Entlastungen in Aussicht. „In dieser Legislaturperiode werden wir die Menschen und den Mittelstand um deutlich mehr als 30 Milliarden Euro entlasten“. Denn: „Nicht nur wir als Menschen brauchen einen Booster, sondern die wirtschaftliche Entwicklung, die durch die Pandemie gebremst wurde, die benötigt ebenfalls einen Booster.“

Djir-Sarai will Profil der FDP schärfen

Der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betonte die Eigenständigkeit seiner Partei auch in der neuen Ampel-Regierung. „Das ist eine Koalition und keine Fusion.“ Es sei seine Aufgabe als künftiger Generalsekretär, deutlich zu machen, dass die FDP eine „eigenständige politische Kraft der Mitte“ ist. „Ich will und werde nicht ein zusätzlicher Regierungssprecher sein. Meine Mission lautet: eine erfolgreiche FDP“.

Er sei stolz darauf, dass die FDP hohe Kompetenzwerte bei Themen wie Digitalisierung, Wirtschaft und Finanzen hat. „Wir sollten aber aus meiner Sicht auch noch mehr als bislang die gesellschaftspolitischen Debatten in diesem Land prägen“. Er wolle eine FDP, die sich dafür einsetzt und stark mache, „dass es in unserem Land keine Rolle spielt, wo jemand herkommt, sondern wo er hinwill.“ Dass eine überwiegende Mehrheit der Jungwähler und Erstwähler, die FDP gewählt haben zeige, „dass wir in der Lage sind, die wichtigen Zukunftsthemen dieses Landes zu identifizieren und zu artikulieren.“ Er lud die Mitglieder ein, ein Leitbild unter dem Stichwort „FDP 2030“ zu entwickeln – über die Frage, „wie eine liberale, moderne Partei aussehen kann“. 

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Djir-Sarai mahnte zugleich einen respektvollen Umgang in der Corona-Diskussion an. Gerade die geplante Impfpflicht-Debatte im Parlament sei keine parteipolitische, sondern eine medizinisch-ethische Debatte. „Entscheidend ist, dass diese Debatte in unserem Land respektvoll stattfindet, dass wir Respekt und Verständnis für unterschiedliche Positionen haben.“ Die Politik müsse hier Vorbild sein. „Die Art und Weise, wie wir jetzt in dieser pandemischen Situation miteinander umgehen, wird darüber entscheiden, in welchem Land wir nach der Pandemie leben“, sagte der FDP-Politiker.

Er möge eine Politik, „die empathisch ist“ und sich um „die Sorgen und Nöte der Menschen“ kümmere, führte Djir-Sarai weiter aus. In Diskussionen um die Auswirkungen der Corona-Pandemie dürfe es nicht nur um die wirtschaftlichen Schäden gehen, sondern es müsse auch darüber geredet werden, was die Pandemie „mit der Seele der Menschen gemacht hat“. Die „seelischen Narben“ der Gesellschaft wieder zu heilen, sei eine größere Herausforderung, als die wirtschaftlichen Verwerfungen zu beheben.

Theurer: Arbeit der Ampel-Koalition wird kein Spaziergang

Attacken auf den politischen Gegner überließ Djir-Sarai seinen Vorrednern, den Baden-Württembergern Michael Theurer und Dr. Hans-Ulrich Rülke. Die beiden hatten jeweils gut 20 Minuten für ihre Reden. Theurer, Landesvorsitzender der FDP Baden-Württemberg und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, warf der CDU-geführten Vorgängerregierung schwere Versäumnisse in der Corona-Politik vor. Einige Politiker hätten gerade im Herbst während der Koalitionsverhandlungen unmittelbar nach der Bundestagswahl die Verantwortung nicht übernommen. „Niemand hat die Ministerpräsidenten und die alte Bundesregierung gehindert, bereits im Oktober Maßnahmen zu ergreifen, die es geschafft hätten, die vierte Welle früher zu brechen“, sagte Theurer. Beispielsweise die Abschaffung der kostenlosen Bürgertests sei ein Fehler gewesen.

Im Bereich von Verkehr und Infrastruktur gebe es schwere Erblasten, die die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP nun abzutragen habe. Er rechnet mit erheblichem Widerstand gegen die Vorhaben der Ampel-Koalition. „Ich glaube, die Arbeit in der Bundesregierung wird für alle drei Partner – FDP, Grüne und SPD – kein Spaziergang werden“, so Theurer. Deutschland sei nicht gut auf die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte vorbereitet. „Der Lack ist ab. Die Reparaturarbeiten, die jetzt anstehen, die werden auch Gegenwind entfachen.“

Die großen Transformationen Digitalisierung und Klimaschutz erforderten allergrößte Anstrengungen auf allen Ebenen, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Dabei werde man erkennen müssen, „dass manche Probleme sich nur lösen lassen, indem wir Dinge anpacken, die dann dazu führen, dass es erst schlechter werden muss, damit es besser werden kann“. Die Freien Demokraten seien der Gegenpol zur Stillstandsregierung: „Mit unseren Themen Bildung, Bürgerrechte, Digitalisierung, Modernisierung und dem Dreiklang aus Entlasten, Entfesseln und Investieren werden wir im Land weiter aufzeigen, was alles besser laufen könnte und im Bund genau diesen Fortschritt auch im Regierungshandeln umsetzen.“

Rülke rechnet mit grün-schwarzer Landesregierung ab

Auch Dr. Hans-Ulrich Rülke, Vorsitzender der FDP-Fraktion Baden-Württemberg, teilte kräftig aus. Die CDU im Ländle habe sich selbst aufgegeben, sagte Rülke. Seine Partei sei dafür nicht zu haben. „Wir sind bereit zur Verantwortung, aber das liberale Profil muss dann in einem Koalitionsvertrag auch sichtbar werden“, erinnerte er an die Sondierungen im letzten Frühjahr.

Der Landesregierung stellte er ein schlechtes Zeugnis aus: „Wir haben eine wirklich nicht funktionierende Landesregierung, die sich nur noch an die Macht klammert, die alle Überzeugungen über Bord geworfen hat und zu recht merkwürdigen politischen Entscheidungen kommt“. Besonders in der Corona-Politik mache der Ministerpräsident viele Fehler und reine Symbolpolitik. Rülke stellte unter anderem den Sinn von Ausgangssperren in Frage und kritisierte, dass die 3G-Regel im öffentlichen Nahverkehr nicht kontrolliert werde. 

In anderen Bereichen sehe es nicht besser aus. Sowohl in den Bereichen Bildung und Digitalisierung machte Rülke Mängel aus: „Im Bildungsbereich haben wir festgestellt, dass die Schulen auf Corona und Fernunterreicht nicht vorbereitet gewesen sind. Wir haben festgestellt, dass es bei der Digitalisierung in Baden-Württemberg erhebliche Mängel gibt.“ Aus diesem Grund sei es notwendig, eine andere Bildungspolitik in Baden-Württemberg zu machen und die Digitalisierung zu verbessern. Auch im Verkehrsbereich zeige diese Landesregierung ein außerordentlich bedenkliches Bild, dasselbe gelte für die Energiewende. Rülke versprach: „Die FDP-Fraktion und die Landespartei werden diese Herausforderungen annehmen und wir sind auch jederzeit bereit, Verantwortung auf der Strecke zu übernehmen, wenn dieser chaotischen Landesregierung die Luft ausgeht.“

Skudelny: Wir werden das Aufstiegsversprechen einlösen

Die Dreikönigkundgebung eröffnet hat Judith Skudelny, Generalsekretärin der FDP Baden-Württemberg. Sie schlug den Bogen von der außerparlamentarischen Opposition der Freien Demokraten zur jetzigen Ausgangslage: „Wir Freie Demokraten sind im Bund wieder in der politischen Verantwortung. Dass das so ist, ist durchaus keine Selbstverständlichkeit gewesen. Es war das Denken und Handeln einiger weniger. Es war unser Leitbild, das uns Haltung gegeben hat. Es waren viele, die an unserer Programmatik gearbeitet haben. Und es war unser gemeinsamer Korpsgeist, das gemeinsame Handeln, das uns zum Erfolg geführt hat. Mit Christian Lindner, Marco Buschmann, Bettina Stark-Watzinger und Volker Wissing würden die Liberalen in der Ampel-Koalition wichtige Schlüsselressorts: Finanzen, Recht, Bildung und Verkehr besetzen. Damit können wir unsere Gesellschaft modernisieren, wir können die Wirtschaft stärken und wir werden das Aufstiegsversprechen einlösen.“