Friedensgespräche sind unter Beschuss unmöglich

Russland hat das EU-Ultimatum für eine Waffenruhe verstreichen lassen – die Raketenangriffe auf die Ukraine halten unvermindert an. Marie-Agnes Strack-Zimmermann fordert deutliche Konsequenzen.

Strack-Zimmermann vor der Bundespressekonferenz
Marie-Agnes Strack-Zimmermann begrüßt, dass Deutschland endlich sicherheitspolitisch selbstbewusster auftritt.

Ganz Europa schaut auf die Ukraine. Am Samstag reisten die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen nach Kyjiw und setzten dort ein deutliches Zeichen: Ohne Waffenruhe keine Friedensverhandlungen. Zugleich kündigten sie neue Sanktionen an, sollte Russland dem nicht folgen. Bis Montag, Mitternacht, war eine 30-tägige Waffenruhe gefordert. Doch Putin ignoriert das Ultimatum – und setzt seine Angriffe unvermindert fort. Stattdessen hatte er der Ukraine vorgeschlagen, die direkten Gespräche zwischen Kyjiw und Moskau „ohne Vorbedingungen“ am Donnerstag in Istanbul wieder aufzunehmen.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Verteidigungspolitikerin und Vorsitzende des Europäischen Verteidigungsausschusses, macht klar, dass es schlicht keine Basis für Gespräche gebe, solange Raketen und Drohnen auf die Ukraine abgefeuert werden. In der Frankfurter Rundschau äußert sie generelle Zweifel an Russlands Intentionen: „Ich bezweifle, dass Putin ernsthaft an einer Waffenruhe, geschweige denn an einem Frieden interessiert ist.“ Frieden sei sofort möglich, wenn Putin seine Angriffe beende und seine Truppen abziehe. Doch das Gegenteil sei der Fall: „So will Wladimir Putin die Bevölkerung zermürben und aus dem Land vertreiben. Ein entvölkertes Land kann sich schlechter zur Wehr setzen.“ 

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Sanktionen müssen kommen

Strack-Zimmermann sagt bei WELT: „Wenn man den Mund spitzt, muss man auch pfeifen.“ Europa müsse nun geschlossen auftreten – „am besten alle Länder“. Putin dürfe nicht glauben, der Westen sei unsicher: „Putin muss wissen, dass sein Gegenüber mit Verlaub keine Weicheier sind, sondern auch wirtschaftlich Möglichkeiten haben, etwas zu tun.“ Gerade bei den wirtschaftlichen Sanktionen gebe es noch Lücken: „Machen wir uns nichts vor: Auch in Deutschland gibt es Firmen, die sich immer noch davor drücken, bei Sanktionen mitzuziehen, obwohl sie es eigentlich müssten.“

Dass Bundeskanzler Friedrich Merz kurz nach seinem Amtsantritt gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien in die Ukraine reiste, habe Putin überrascht, so Strack-Zimmermann bei Hart aber fair. Der russische Präsident hätte am liebsten die EU außen vor gelassen. Für die Ukraine seien diese Bilder ein starkes Zeichen gewesen: „Ich fand das Bild auch fast ikonisch, wie die Herren da saßen, auf das Handy schauten, wo wohl der amerikanische Präsident auf der anderen Seite war.“ 

Man versuche also durchaus, Trump diplomatisch einzubinden. Doch weil dieser „unberechenbar“ sei, dürfe man sich nicht zu sehr auf ihn verlassen. Strack-Zimmermann begrüßt daher das entschlossenere Auftreten Deutschlands: „Also der ehemalige Bundeskanzler hat ja nichts gemacht, ohne die Amerikaner vorher zu fragen.“ Trumps erratisches Verhalten habe Europa insofern endlich wachgerüttelt. Die EU mit ihren 450 Millionen Einwohnern müsse ihre sicherheitspolitischen Interessen selbst vertreten. Putin wolle die gesamte Ukraine einnehmen, Trump verfolge wirtschaftliche Ziele – „dort also auch wertvolle wichtige Bodenschätze heben, damit er auch weniger abhängig ist von China“. Europa dagegen gehe seinen eigenen Weg. „Das ist 2000 Kilometer entfernt von uns, so weit wie Madrid“, gibt Strack-Zimmermann zu bedenken. Wenn Putin nicht gestoppt werde, seien auch Nachbarstaaten in Gefahr.

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Taurus liefern statt diskutieren

Auch militärisch fordert sie klare Entscheidungen. Sie spricht sich erneut für die Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine aus. Kanzler Merz hatte diese schon auf der Münchner Sicherheitskonferenz in Aussicht gestellt. Zwar sei der Taurus „kein Gamechanger“, aber „im Zusammenspiel mit anderen Waffensystemen ein wirksames Mittel, um die Ukraine zu schützen“. Die öffentliche Debatte über solche Lieferungen sieht sie allerdings kritisch: „Wir berauben damit die Ukraine der Möglichkeit, sich aus dem Moment der Überraschung heraus zu verteidigen.“ Putin versuche diese Debatte außerdem seit Jahren zu beeinflussen. Deshalb sei es besser, weniger laut darüber zu sprechen – und stattdessen konsequent zu handeln.

Frieden braucht nach Einschätzung von Strack-Zimmermann zwei Voraussetzungen: Erstens eine langfristige und verlässliche Unterstützung der Ukraine durch den Westen – wirtschaftlich, humanitär und militärisch, vor allem durch die USA und Europa. Zweitens, klare Sicherheitsgarantien, die einen erneuten russischen Angriff verhindern. Dazu zählt für sie auch eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine sowie – langfristig – ein NATO-Beitritt.