Antrag A3001: Haushaltsnahe Dienstleistungen durch Gutscheinmodell fördern

Antragsteller/ -in: Sachgebiet:
BV Friedrichshain-Kreuzberg A3 - Selbstbestimmt in allen Lebenslagen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die Übernahme von Aufgaben im Haushalt, sogenannte Care-Arbeit, ist in Deutschland immer noch stark ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt. Die Corona-Pandemie hat die Verteilung der Sorgearbeit zum Gegenstand zahlreicher öffentlicher Debatten und empirischer Untersuchungen gemacht. Häufig sind es Frauen, die einen überwiegenden Anteil der im Haushalt anfallenden Aufgaben übernehmen und ihre Arbeitszeit nach der Geburt eines Kindes zugunsten der Care-Arbeit reduzieren. Um diesem und weiteren ungewollten Phänomenen entgegenzuwirken, hat sich die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag auf die verstärkte Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen durch steuerliche Förderung, die Möglichkeit steuerfreier Arbeitgeberzuschüsse und die Einführung eines Zulagen- und Gutscheinsystems geeinigt. Diese Förderung des Sektors haushaltsnaher Dienstleistungen hat neben der Entlastung von Frauen von unbezahlter Care-Arbeit eine Formalisierung dieses Sektors zur Folge, der nach wie vor von Schwarzarbeit geprägt ist. Die große Mehrheit der Haushaltshilfen ist nach einer Studie des IW Köln nicht angemeldet und arbeitet ohne Absicherung und Unfallversicherungsschutz illegal. Rund 88 Prozent der Haushalte melden ihre Reinigungskraft nicht an. Zwar ist diese Zahl seit 2005 von rund 93 Prozent aufgrund der Schaffung von legalen Alternativen zurückgegangen, doch beschäftigen von den rund 3,3 Millionen Haushalten in Deutschland, die gelegentlich oder regelmäßig eine Haushaltshilfe in Anspruch nehmen, rund 2,9 Millionen Haushalte ihre Haushaltshilfe ohne Anmeldung und Zahlung von Steuern und Beiträgen. 

Ein Blick auf die europäischen Nachbarländer zeigt, dass die Schaffung eines Gutscheinsystems zur Formalisierung dieses Sektors beitragen kann und mit mehreren Vorteilen verbunden ist. Neben der Austrocknung des Schwarzmarkts und der Schaffung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse, die ihrerseits positive Auswirkungen auf Qualität und Attraktivität der Arbeitsplätze und die Zufriedenheit der Arbeitnehmenden haben, hat die Einführung eines Gutscheinmodells auch positive Effekte auf die eingangs umrissene Ungleichverteilung von Care-Arbeit und weitere geschlechtsbasierte Ungleichheiten. Die (teilweise) Auslagerung von Care-Arbeit auf externe Dienstleistungsunternehmen schafft zeitliche Kapazitäten, was wiederum einerseits die Ausweitung der eigenen Erwerbsarbeit von Frauen, wie auch andererseits mehr Raum für Familie und Privates und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf begünstigt. Dass insbesondere Frauen, die rund 90 Prozent der in Deutschland angemeldeten Minijobber im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen stellen, durch die Formalisierung des Sektors sozialversicherungspflichtig abgesichert und so vor Altersarmut geschützt würden, ist ebenfalls als positiver Effekt auf die geschlechtliche Gleichstellung zu sehen. 

Wir Freie Demokraten wirken aus diesem Grund auf die Einführung eines Gutscheinmodells nach belgischem Vorbild hin. Bürgerinnen und Bürger können bezuschusste Dienstleistungsgutscheine als Zahlungsmittel erwerben. Damit können haushaltsnahe Dienstleistungen zu günstigen Tarifen in Anspruch genommen werden. Privathaushalte kaufen die Gutscheine für einen geringeren Betrag (beispielsweise für 10,- Euro/Stück) und wenden sich dann an zugelassene Firmen, die diese Dienstleistungen anbieten. Der Preis der Gutscheine soll einen Anreiz bieten, die Leistungen nicht unter der Hand in Anspruch zu nehmen. Die Beschäftigten dieser Dienstleistungsunternehmen sind sozialversicherungspflichtig angestellt und werden an Privathaushalte vermittelt, die dann mit einem Dienstleistungsgutschein pro geleisteter Stunde „bezahlen“. Die Unternehmen reichen dann die Gutscheine beim Staat ein und erhalten eine Kostenerstattung, die den ausgezahlten Stundenlohn in Höhe des branchenspezifischen Mindestlohns für Reinigungskräfte, die Qualifizierung der Beschäftigten sowie die Sozialversicherungsbeiträge abdeckt. Die Anzahl der zu erwerbenden Gutscheine ist individuell begrenzt und nach Zielgruppe gestaffelt. Alleinerziehende, Familien mit Kindern und zu pflegenden Angehörigen profitieren dabei in größerem Maße als Alleinstehende oder Familien ohne Kinder.