Europa muss seine Werte verteidigen

Gas-Streit im Mittelmeer, Proteste in Belarus, Rechtsstaatlichkeit der Mitgliedstaaten: Vor der EU liegen aktuell viele Herausforderungen. Für Alexander Graf Lambsdorff steht fest: Europa muss seine Werte, seine Art zu leben, verteidigen. 

EU-Kommission, EU-Flaggen
Auf dem EU-Sondergipfel in Brüssel stehen außenpolitische Themen auf der Agenda.
Gas-Streit im Mittelmeer, Proteste in Belarus, der Konflikt in Bergkarabach, Rechtsstaatlichkeit der Mitgliedstaaten: Vor der EU liegen viele außenpolitische Herausforderungen, um die es auf dem zweitägigen EU-Sondergipfel in Brüssel gehen soll. Für den FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff steht fest: Europa muss seine Werte, seine Art zu leben verteidigen. Die Handlungsfähigkeit in der Außenpolitik sei eine zentrale Zukunftsfrage der EU, so Lambsdorff. Einen Konsens zu finden, sei zurzeit schwierig, auch weil bei außenpolitischen Entscheidungen das Einstimmigkeitsprinzip gelte. Lambsdorff plädiert daher für ein Mehrstimmigkeitsrecht. Nicola Beer, Vize-Präsidentin des EU-Parlaments und FDP-Vize, stimmt Lambsdorff zu: „Solange die Europäische Union an diesem Prinzip in der Außenpolitik festhält, wird die EU weiterhin am außenpolitischen Katzentisch bleiben.“

Derzeit seien es beispielsweise die Muskelspiele aus Zypern, die dringende Sanktionen gegen den Autokraten Alexander Lukaschenko und seine Machtriege unmöglich machen. Zypern fordert im Gegenzug zu Sanktionen gegen Belarus Sanktionen gegen die Türkei wegen des Gasstreits. Die EU tut sich schwer, hier einen Kompromiss zu finden. Statt Einstimmigkeit in der Außenpolitik brauche es daher Mehrheitsentscheidungen, ist Beer überzeugt. Andernfalls stünden Erpressungsversuchen zum eigenen politischen Vorteil Tür und Tor offen. 

Das Problem sei, dass jeder Mitgliedsstaat, auch Zypern, derzeit ein Veto hat „und es dann so nutzen kann, wie wir das gerade sehen“, erklärt Lambsdorff. Seiner Meinung nach ist Zyperns Antrieb eine harte Haltung gegenüber der Türkei sowie ein subjektives Bedrohungsgefühl, „vielleicht auch objektiv gerechtfertigt, durch die türkischen Manöver im östlichen Mittelmeer.“ Allerdings sei das Verhältnis der EU zur Türkei ein völlig anderes als das zu Belarus. „Und deswegen ist dieser Anspruch Zyperns, beide exakt gleich zu behandeln, einfach der Versuch, Äpfel und Birnen hier miteinander zu vergleichen, und das kann nicht funktionieren“, findet Lambsdorff deutliche Worte.

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Im Zusammenhang mit den außenpolitischen Konflikten zwischen der EU und der Türkei betont der FDP-Außenexperte: Anstatt „einen wirklich inzwischen totgerittenen Beitrittsprozess mühsam am Leben zu erhalten“, wäre es sinnvoller, die Beitrittsverhandlungen zu beenden und Verhandlungen aufzunehmen über einen Grundlagenvertrag, in dem man genau ausbuchstabiert, wo man kooperiert und wo das nicht geht. 

Um wieder mehr Bewegung und Schlagkraft in die europäische Außenpolitik zu bringen, wäre es sinnvoll das Einstimmigkeitsprinzip aufzugeben, schlägt Lambsdorff vor. „Europa nimmt sich damit den eigenen Handlungsspielraum für internationale Politik. Mehr noch, für ein neues geopolitisches Selbstbewusstsein gegenüber den strategisch wichtigen Playern wie etwa China, Russland oder der Türkei“, meint Beer. Lambsdorff verdeutlicht den Ernst der Lage: „Wir leben im 21. Jahrhundert, in dem wir vermutlich auf einen Großkonflikt zwischen den USA und China hinauslaufen, in dem Europa seine eigenen Interessen, seine Werte, seine Art zu leben schützen und verteidigen muss. Deswegen ist die Frage der außenpolitischen Handlungsfähigkeit eine wirklich ganz zentrale für unsere Zukunft.“

 

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Der kürzlich gefundene Kompromiss der deutschen Ratspräsidentschaft für einen Rechtsstaatsmechanismus sorgt für Kritik bei den Liberalen. Er habe den Namen Rechtsstaatsmechanismus nicht mehr verdient — das wäre Etikettenschwindel, so Lambsdorff. Es geht bei dem Kompromiss im Kern um die Koppelung der Finanzmittel an die Einhaltung von Rechtsstaatsprinzipien.

Allerdings habe Deutschland so viele Einschnitte gemacht, dass nur noch in ganz ausgewählten Fällen Sanktionen möglich sind. Es ginge, laut Lambsdorff, jetzt hauptsächlich nur noch darum, „ob ganz konkrete Zahlungen korrekt abgewickelt worden sind.“ Dabei mache einen Rechtsstaat viel mehr aus: die Unabhängigkeit der Gerichte, den Zugang für alle zum Rechtsweg und die Chance auf ein faires Verfahren, auch die Möglichkeit, das Handeln staatlicher Stellen vor Gericht überprüfen zu lassen.

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