Deutschland muss in der Forschung selbst stärker werden

Die Forschungsministerin will mehr Distanz zu China – auch in der Wissenschaft. Die Innovationsmüdigkeit der Wirtschaft erklärt sie mit der deutschen Angst vorm Risiko.

Bettina Stark-Watzinger
Bildungs- und Forschungsministerin Stark-Watzinger will mehr Distanz zu China, besonders in der Wissenschaft. Denn man dürfe nicht naiv sein. "In China dient heute alles der Kommunistischen Partei." © Laurence Chaperon

Bundesforschungs- und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat in einem Gespräch mit dem Handelsblatt zu mehr Distanz gegenüber China auch in der Wissenschaft aufgerufen.

Deutschland müsse dringend selbst stärker werden. Dennoch könne Deutschland in manchen Feldern, wie etwa dem Klimawandel, auf die Zusammenarbeit mit der Forschungsnation China nicht verzichten. „Aber in sensiblen Bereichen müssen wir klare Grenzen ziehen: bei allen Dual-Use-Fällen, bei denen militärischer Nutzen nicht ausgeschlossen ist, und auch bei Künstlicher Intelligenz, die China zur Überwachung seiner Bürger missbraucht“, betonte Stark-Watzinger. Ein Rückzug sei „generell überall dort angesagt, wo wir China helfen würden, einen Vorteil im Systemwettbewerb zu erringen.“

Man dürfe „nicht nur jammern, dass China so stark ist, wir müssen selbst stärker werden.“ Um innovativ aufzuholen, brauche es dringend mehr Innovationsbrücken in der gesamten Forschungsbreite, Beschleunigung des Transfers, mehr Studiengänge, die Entrepreneur-Geist vermitteln und eine Start-up-Strategie.

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Jedes einzelne Projekt kritisch prüfen

Wie eine wissenschaftliche Kooperation mit China aussehen könnte, wurde auch bereits beim G7-Wissenschaftsministertreffen thematisiert. „Wir werden eine gemeinsame virtuelle Akademie gründen, die der Forschung hilft, zu erkennen, wo Gefahren lauern.“ Das Bundesministerium für Bildung und Forschung werde dazu Hochschulen und Forschungseinrichtungen beim Ausbau ihrer unabhängigen China-Kompetenz unterstützen. „Wir stehen der Wissenschaft als beratende Partner zur Verfügung. Und wir bringen uns aktiv in die Gestaltung der China-Strategie der Bundesregierung ein, die Leitplanken formulieren sollte.“

Denn: „Selbst wenn es gute persönliche Kontakte zu Forschern in China gibt, darf man nicht naiv sein. In China dient heute alles der Kommunistischen Partei“, unterstrich die Bildungsministerin. Dennoch habe man beim Einfrieren der Forschungskooperation mit Russland gesehen: „Man muss jedes einzelne Projekt kritisch prüfen.“

Die Liberale ermunterte die Hochschulen dabei auch zu weiteren Schritten. „Wenn ich Uni-Präsidentin wäre, gäbe es bei mir kein Konfuzius-Institut“, sagte Stark-Watzinger. Diese Institute seien „von Peking mitfinanziert und werden von der Kommunistischen Partei politisch instrumentalisiert“. Eine „solche direkte Einflussnahme Chinas auf unsere Lehre und Wissenschaft lehne ich ab – wir sollten uns klar abgrenzen“.

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Deutschland muss selbst stärker werden

Um innovativ aufzuholen brauche es nun noch mehr Ehrgeiz und intensivere Kooperationen mit Ländern, „die unsere freiheitlichen Werte teilen.“ Zudem müsse über die ganze Breite der Forschung Innovationsbrücken gebaut und Transfer beschleunigt werden. „Dafür müssen Universitäten ihre Transfer-Abteilungen professionalisieren, da müssen Leute sitzen, die die Welt der Unternehmen kennen.“ Auch weitere Studiengänge, die Entrepreneur-Geist vermitteln können dabei unterstützen.

Zudem werde die neue Transferagentur Dati dafür sorgen, „dass Erkenntnisse aus der Forschung schneller in der Wirtschaft ankommen und dort zu Innovationen werden.“ Zusätzlich werde die Start-up-Strategie als unverzichtbarer Teil viel mehr privates Geld in Ausgründungen lenken. „Schließlich werden wir noch in diesem Jahr das Freiheitsgesetz für die Agentur für Sprunginnovationen Sprind anschieben, die dann mit mehr Geld und frei von staatlicher Bürokratie revolutionäre Innovationen fördern kann“, führte Stark-Watzinger aus.

Ein Entwurf für die Start-up-Strategie soll noch im Sommer unter allen beteiligten Ministerien abgestimmt werden. „Daneben muss auch der schon existierende Zukunftsfonds mit seinen zehn Milliarden Euro schnell seine Kraft entfalten.“

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Deutsche Angst vor dem Risiko

Die aktuelle Innovationsschwäche der deutschen Wirtschaft erklärt sich die Ministerin auch mit der Risikoabneigung vor allem des Mittelstands. Dazu komme, „dass die Wirtschaft vor Corona brummte – und da ist der Innovationsdruck geringer, auch wenn das für die Zukunft nicht gut ist“.

In Deutschland seien die Menschen generell weniger risikobereit als in anderen Nationen – daher strebten auch „so viele junge Menschen nach dem Studium in den Staatsdienst“, sagte Stark-Watzinger. „Deutsche empfinden Verluste emotional doppelt so stark“, verwies sie auf Studien des US-Psychologen Daniel Kahneman. Als Gegenmittel könne „mehr finanzielle Bildung in der Schule“ helfen.