Keine Mittelstreckenraketen westlich des Ural

Die Welt hat sich seit Ende des Kalten Kriegs verändert: Während der INF-Vertrag nur die USA und Russland bindet, verfügen andere Staaten wie China, Indien, Israel, Nordkorea, Pakistan, Iran und Saudi Arabien über landgestützte Mittelstreckenraketen. Die USA und Russland hatten also ein Motiv, zu kündigen. Doch so besorgniserregend das Scheitern des INF-Vertrages für Europa auch ist, viel alarmierender ist die Abwesenheit jedweder Initiativen für neue Rüstungskontrollabkommen.
Alexander Graf Lambsdorff mahnt vor diesem Hintergrund: „Die EU muss gemeinsam mit den NATO-Partnern umgehend mit Russland in Dialog treten.“ Dabei müssten Möglichkeiten ausgelotet werden, regionale Rüstungskontrollvereinbarungen zu treffen, wie beispielsweise ein Stationierungsverbot von landgestützten Mittelstreckenraketen in einer bestimmten Entfernung von europäischen Zielen. „Erstes Ziel der EU ist es, dass keine Mittelstreckenraketen westlich des Ural stationiert werden. Europa muss außerhalb der Reichweite russischer Raketen liegen.“ Für den Außenpolitiker ist aber auch klar, „dass die NATO nach dem Ende des INF-Vertrags ebenfalls ihre Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit gegenüber Russland stärken muss“.
Hintergrund
Die USA und die Sowjetunion hatten sich 1987 dazu verpflichtet, alle Marschflugkörper und bodengestützten Raketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 km zu vernichten und auf die Entwicklung, Produktion und Stationierung solcher Systeme fortan zu verzichten. Europa befand sich damit nicht länger in der Geiselhaft sowjetischer Raketen. Bei einem zu befürchtenden nuklearen Schlagabtausch hätten die beiden Supermächte ihre Interkontinentalraketen direkt auf das Territorium des Gegners gerichtet.
Der INF-Vertrag ist das einzige Rüstungsabkommen, mit dessen Hilfe nicht nur eine Begrenzung, sondern ein komplettes Verbot bestimmter Waffen gelungen ist. Sein Ende bedeutet einen weiteren Rückschritt in der ohnehin bröckelnden weltweiten Abrüstungspolitik. Die größten Verlierer vom Freitag sind die Europäer. Von nun an besteht keinerlei Rechtsgrundlage mehr, die Russland und den USA die Entwicklung und den Besitz von landgestützten Mittelstreckenraketen verbietet.