Putin unter Druck - Warum Europas Entschlossenheit jetzt zählt

Donald Trumps angedrohte Sekundärzölle gegen russische Energiekunden könnten Putins Kriegsfinanzierung empfindlich treffen. Gleichzeitig fordern die baltischen Staaten mehr Schutz. Marie-Agnes Strack-Zimmermann macht klar: Jetzt ist der Moment, in dem Europa Haltung zeigen muss.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Vielfalt)
Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist überzeugt, dass der Westen durch Sanktionen, Abschreckung und Solidarität das Machtkalkül Putins ins Wanken bringen kann. © Mehr zum Thema

In einer angespannten geopolitischen Lage, die Europa seit Jahren beschäftigt, spitzt sich die Situation im dritten Jahr des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine weiter zu. Mit dem Ultimatum des republikanischen US-Präsidenten Donald Trump, Sekundärzölle für Käufer — sprich Indien und China — von russischem Gas zu erheben rückt eine wichtige Einnahmequelle Wladimir Putins in den Fokus. 

Sekundärzölle – Ein entscheidendes Machtinstrument

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament, bewertet in einem Interview mit „Welt“ die mögliche Umsetzung solcher Sanktionen gegen Russland als höchsteffektiv: „Wir wissen, dass bei Wladimir Putin Öl- und Gaseinnahmen die entscheidende Geldquelle sind, mit der er seinen Krieg finanziert.“ Sollte Trump dieses Ultimatum wirklich einlösen, würde es die wichtigste Einnahmequelle des Kremls massiv schwächen und den Handlungsspielraum des russischen Präsidenten entschieden einschränken. 

Zugleich bleibt aber auch Skepsis angebracht. So erinnert Strack-Zimmermann daran, dass Donald Trump in der Vergangenheit mehrfach mit harten Maßnahmen gegen Russland geliebäugelt hat, ohne diese jedoch final umzusetzen. Dabei dürfte Putin das politische Spiel Trumps durchschauen und auch in diesem Fall darauf spekulieren, dass den Worten keine Taten folgen werden und das Ultimatum letztlich ins Leere läuft, fasst die FDP-Politikerin die mögliche Strategie Putins zusammen. „Ich glaube, dass Putin auch zockt und abwartet, was passiert“, resümiert Strack-Zimmermann. Klar sei jedoch in ihren Augen, dass allein die Drohung Trumps eine gewisse Wirkung entfaltet und ein starkes Signal sendet, sowohl an Moskau als auch an die östlichen Mitgliedsstaaten der NATO. 

NATO-Präsenz im Baltikum ist mehr als Symbolpolitik

Gerade die östlichen Mitgliedsstaaten der NATO schlagen Alarm. Aufgrund der Bedrohung aus dem Osten, durch Putins Russland, forderte Litauen jüngst konkrete NATO-Unterstützung in der Luftverteidigung. Für Strack-Zimmermann ein überfälliger Weckruf: „Putin bewegt sich haarscharf an den Grenzen zu Polen und den baltischen Staaten. Wir müssen alles sehr ernst nehmen, was Russland macht.“ 

Was lange als abstrakte Bedrohung galt, ist heute geopolitische Realität. Die baltischen Staaten haben schon früh vor Russlands neo-imperialer Strategie gewarnt. Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine bestätigen sich ihre Befürchtungen zunehmend. Der Westen dürfe dies nicht länger ignorieren, betont Strack-Zimmermann mit Nachdruck, denn wer die östlichen NATO-Partner schützte, schützte auch die Sicherheit Europas insgesamt. 

Neue Hyperschallraketen und Manöver

Mit der von Russland angekündigten Serienproduktion der atomar bestückbaren Hyperschallrakete „Orest“ und der ab Jahresende anvisierten Stationierung dieser Waffen in Belarus, sowie einem geplanten russisch-belarussischen Militärmanöver in ähnlicher Manier wie Anfang 2022, als der Krieg in der Ukraine begann, verschärft sich die sicherheitspolitische Lage, in der sich Europa und die NATO wiederfinden. Zwar sei dies laut Strack-Zimmermann „noch kein direkter Angriff“, doch erinnere die Lage in fatalster Weise an den Februar 2022, den Vorabend des großflächigen Überfalls auf die Ukraine. 

Dass Belarus erneut als russischer Vorposten agiere, zeige die Instrumentalisierung eines Marionettenstaates in Putins Machtsystem. Ob Russland tatsächlich genügend Truppen für eine neue Front gegen östlichen NATO-Staaten besitze, bleibe jedoch offen, so die FDP-Politikerin. Doch eines sei unzweifelhaft klar, der Westen müsse auf jede Eskalation vorbereitet sein, und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt. 

Pragmatismus statt Ideologie

Jedoch gibt es auch einen Lichtblick. Die Niederlande gehen den ersten Schritt und kaufen für 500 Millionen Euro amerikanische Schusswaffen für die Ukraine. Ein Zusammenrücken der NATO, um die Verteidigung der Ukraine weiterhin zu gewährleisten. Strack-Zimmermann betont diesbezüglich: „Die Ukraine braucht diese Waffen. Unsere europäischen Lager sind leer. Also braucht es neue Lösungen.“ Insofern ist es ihrer Meinung nach auch deplatziert, den EU-Deal mit den USA als einzig für die Vereinigten Staaten rentabel zu kritisieren. Schließlich sei die Gewährleistung der Sicherheit Europas entscheidend. 

Auch hier zeige sich, dass Pragmatismus über Ideologie stehen müsse. Es gehe nicht um „Deals“, sondern um konkrete Hilfe für ein angegriffenes Land, das sich verteidige, und zwar nicht nur sich selbst, sondern auch die Freiheit des restlichen Europas. Der Partner USA bleibe dabei weiterhin zentraler Akteur, ohne den sich die Verteidigung der Ukraine nicht gewährleisten lasse. 

Sommerpause? – Nicht für Europas Sicherheit

Die Mahnung Strack-Zimmermanns zum Schluss ist deutlich: Europa dürfe sich nicht in sicherer Distanz wiegen, schon gar nicht jetzt in der politischen Sommerpause. „Meine große Sorge ist, dass jetzt überall Sommerpause ist. Das darf nicht dazu führen, dass der Schutz nachlässt. Gerade jetzt nicht“, warnt die FDP-Politikerin. Denn gerade in dieser Zeit spekuliere Putin auf die Ermüdung des Westens, auf politische Lethargie und innenpolitische Zerstreuung. Doch wer jetzt nachlasse, riskiere das Gleichgewicht der Sicherheitsordnung in Europa.