Langsames Bauen hilft der Umwelt nicht

Volker Wissing will erreichen, dass der Neu- und Ausbau von Straßen in überragendem öffentlichen Interesse liegt, um Planungsverfahren zu beschleunigen. Auch für die Schiene möchte er in den nächsten Jahren deutlich mehr Geld einsetzen.

Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid
Seit über einem Jahr ist die einsturzgefährdete Rahmedetalbrücke der A45 in Lüdenscheid gesperrt. Seitdem fahren täglich Zehntausende LKW durch die Stadt.

Die Planung neuer Verkehrswege dauert in Deutschland zu lang. Das soll sich endlich ändern. Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien darauf geeinigt, die Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren mindestens zu halbieren: „Als Koalition sind wir angetreten, um Deutschland nach Jahren des Stillstands schneller, moderner und unbürokratischer zu machen. Mehr Tempo bei den Infrastrukturvorhaben ist dabei eine zentrale Frage der Standortpolitik und der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“, betont FDP-Präsidiumsmitglied Christian Dürr.

Ein Beitrag ist das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz, das Bundesverkehrsminister Volker Wissing auf den Weg gebracht hat. Das komme allen Verkehrswegen zu Gute, sagte Volker Wissing im Interview mit WELT TV. „Das gilt für die Schiene, für Wasserstraßen-Projekte, Straßen – und natürlich für Energieanlagen“, zählte Wissing auf. Doch vor allem sollen jetzt marode Brücken und hochbelastete Bundesfernstraßen profitieren. In der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv führte er aus, dass zehnmal so viele Güter über die Straße wie über die Schiene transportiert würden. „Wer also keine Straßen mehr möchte, der möchte den Rückbau unserer Industriegesellschaft.“

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Straßen schnell und vorausschauend modernisieren

Denn: „Das das eine hängt mit dem anderen zusammen“. Die Menschen würden im Internet bestellen. „Sie wollen, dass die Dinge bei ihnen ankommen. Sie wollen eine breite Verfügbarkeit von Waren vor Ort in den Supermärkten haben“, erklärte er. Die Wirtschaft brauche pünktliche Lieferungen in ihre Fabriken, um effizient arbeiten und hohe Löhne zahlen zu können. „Ohne Infrastruktur können wir nicht dieses Lohnniveau haben in Deutschland und gleichzeitig international wettbewerbsfähig sein.“

Würde der Neu- und Ausbau von Straßen zum „überragenden öffentlichen Interesse“ erklärt werden, führte das im Übrigen nicht zu mehr Straßenbau, sondern nur zu schnellerem, argumentierte Wissing. „Und es ist für die Umwelt ja egal, ob eine Straße langsam gebaut wird oder ob sie zügig gebaut wird.“ Für die Gesellschaft aber sei es nicht egal. „Schon gar nicht für die Menschen, die unter Verkehrsengpässen leiden.“

Als Beispiel nannte der Minister die Bewohner von Lüdenscheid. Durch die Stadt in Nordrhein-Westfalen führen täglich Zehntausende LKW, weil auf der nahen Autobahn 45 eine marode Brücke gesperrt sei. Es gehe nicht nur um Neubau, es gehe auch um Ertüchtigung bestehender Straßen, „weil sie aus den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts stammen und den Verkehr von heute nicht aufnehmen können.“

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Schiene benötigt neue Trassen

Nötig sei zudem ein Ausbau der transeuropäischen Netze sowie eine Anbindung der Ukraine, die sich nach Westen orientieren wolle. Für die Schiene forderte Wissing „deutlich mehr Geld in den nächsten Jahren“. Die Schiene sei vernachlässigt worden. Bei der Bahn könne man gut sehen, was es bedeutet, wenn man nicht schnell genug Infrastrukturinvestitionen tätigt. „Die Vorstellung, dass wir so etwas in den nächsten Jahren bei der Straße erleben, mag ich mir gar nicht vorstellen. Mir ist es wichtig, dass die Schiene auch mit ihrem Investitionsbedarf ganz vorne steht.“

Denn: Der Kern des Schienennetzes ist ebenso überaltert wie überlastet. Damit die Bahn zusätzliche Personen- und Güterverkehre aufnehmen kann, reiche es nicht, die Abläufe zu optimieren. „Wir benötigen neue Trassen, und zwar bald, nicht erst in 20 Jahren“, verwies er darauf, dass der Neubau einer Schienenstrecke einschließlich der Planungs- und Genehmigungsverfahren mehr als 20 Jahre in Anspruch nehmen kann. „So ein Zeitrahmen lässt Debatten über eine zeitnahe deutliche Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene geradezu als surreal erscheinen.“

Aufgeschobene Baumaßnahmen helfen niemanden

FDP-Fraktionschef Christian Dürr machte im Interview mit t-online klar: „Wir als Freie Demokraten sind in der Sache startklar. Verkehrsminister Volker Wissing hat dazu einen Vorschlag vorgelegt: Wir wollen den Bau aller Straßen, Schienen und Radwege enorm beschleunigen.“ Denn: „Es hilft doch der Umwelt nicht, wenn eine Straße besonders langsam gebaut wird.“ Dürr habe zudem den Eindruck, „dass in der Vergangenheit durch das langsame Bauen der Umwelt sogar geschadet wurde. Ein Beispiel: Durch den Neubau von Straßen helfen wir der Umwelt, weil wir Staus vermeiden.“

Er verwies darauf, dass beim Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven die sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfung ausgesetzt worden sei. Da, wo es möglich sei, könne sie also wegfallen. „Man kann trotzdem Rücksicht auf die Umwelt nehmen, auch ohne die Prüfung. Das zeigen Länder wie Dänemark – an europäisches Umweltrecht gebunden sind wir alle.“