Pionierarbeit seit 2014

Wussten Sie schon, dass die FDP weltweit die erste Partei mit Ombudswesen war? Unser Ombudsmitglied Dr. Christopher Gohl erklärt, was das Amt so spannend und herausfordernd macht und warum es eine echte Bereicherung für die Partei ist.

Christopher Gohl
FDP-Ombudsmitglied Christopher Gohl hat im Interview mit der FDPlus über das Ombudswesen in der FDP gesprochen

Herr Gohl, die meisten Mitglieder kennen Sie von Parteitagen, bei denen Sie regelmäßig als Ombudsmitglied auf der Bühne stehen und berichten. Aber was macht ein Ombudsmitglied eigentlich?

Ombudsleute sollen Organisationen für ihre Mitglieder besser machen. Ich will also eine FDP, in der jedes Mitglied einen Unterschied für die Freiheit machen kann. Dafür müssen wir unser Leitbild „Mehr Chancen durch mehr Freiheit“ nach innen umsetzen. Organisatorisch, aber auch durch eine Kultur, die uns als „Mitmachpartei“ und „Programmpartei“ verwirklicht. Als Ansprechpartner für Mitglieder bei konkreten Problemen und Konflikten helfe ich, so gut es ehrenamtlich geht. Aber am besten stellen wir die Probleme systematisch ab: Deshalb haben wir im Zuge der Parteientwicklung damit begonnen, das Ombudswesen für Parteien zu erfinden. Zum Beispiel, indem wir Vertrauenspersonen berufen. Oder indem wir Programmarbeit produktiver, transparenter und digitaler organisieren.

The Ombuds Blog schrieb 2020, dass die FDP wohl die erste Partei der Welt gewesen sein müsse, die ein Ombudsmitglied berufen hat. Wie kam es dazu?

In der Tat leisten wir damit seit 2014 Pionierarbeit für die Parteiendemokratie. Parteien haben ja den grundgesetzlichen Auftrag, an der politischen Willensbildung der Republik mitzuwirken. Und zwar mit demokratischen Grundsätzen nach innen. Wir Liberale verstehen das als Auftrag, unsere Partei an der Freiheit der einzelnen Mitglieder auszurichten. Typisch also, dass wir in meinem Amt Organisations- und Kulturfragen personalisieren und Vertrauenspersonen für das einzelne Mitglied schaffen. Zu verdanken haben wir das dem Vorbild der JuLis und dem Schock der APO.

Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen Ombudsmitgliedern und Vertrauenspersonen?

Jein. Ombudsleute sind in allen Organisationen Vertrauenspersonen. Aber in der FDP haben wir 2019 beschlossen, dass Vorstände auf allen Ebenen zwei auch so genannte „Vertrauenspersonen“ benennen sollen, an die sich Mitglieder mit ihren Anliegen wenden können. Je ein Mann und eine Frau. Auf Bundesebene sind das Sylvia Bruns und Alexander Müller. Und auch jeder Landesverband hat Vertrauenspersonen. Dort gabs manchmal auch vor 2019 schon ein Ombudsmitglied, das dann als Vertrauensperson wirkt. Zusammen mit der Bundesgeschäftsstelle versuchen wir, eine respektvolle, partnerschaftliche und vielfältige Partei zu gewährleisten und so eine Art „Vertrauenswesen“ aufzubauen. Vertrauenspersonen sind aber im Gegensatz zu Ombudsmitgliedern nicht in den Satzungen verankert. Und ich habe zusätzliche Aufgaben in Berichtspflicht und Beschlusskontrolle.

Was sind Ihre Rechte bzw. Aufgaben als Ombudsperson?

Die Satzung gibt mir den Auftrag, dem Bundesparteitag zur Behandlung, Umsetzung und Ausführung der Anträge und Beschlüsse zu berichten. Das tue ich mit dem Ombudsbericht immer nach den Reden des Bundesvorsitzenden und des Schatzmeisters. Und wenn mich Mitglieder in bestimmten Fällen gebeten haben, die Beschlusstreue von Fraktionen oder Mitgliedern der Parteiführung zu prüfen, dann sage ich, was aus meiner Sicht da Sache ist. Besonders wichtig sind mir Beschlüsse, die unsere Parteiarbeit betreffen. Also: Ziele der vielfältigen Mitmachpartei oder die „Leitlinien unseres liberalen Miteinanders“, unser Code of Conduct. An deren Umsetzung arbeiten wir seit Jahren in der AG Parteientwicklung unter Führung des Generalsekretärs.

Was ist für Sie die größte Baustelle der Parteientwicklung?

Vielfalt ermutigen und ermöglichen! Aktuell sind vier von fünf Mitgliedern Männer. Und wenn es nach den Neueintritten ginge, wären wir praktisch eine Monokultur von jungen Männern. Sie sind uns herzlich willkommen! Aber wir wollen eine Partei sein, in der sich alle Generationen wohlfühlen, alle Geschlechter und egal, aus welchem Elternhaus, aus welchen kulturellen oder religiösen Traditionen sie stammen. Der Verlust an innerer Vielfalt ist jedoch dramatisch. Denn das schlägt durch darauf, wer sich bei uns wohlfühlt, was wir programmatisch fordern und wen wir für öffentliche Ämter aufstellen – und das zeigt sich dann in sinkenden Wahlergebnissen. Eine moderne liberale Partei muss wieder viel bunter werden!

Mit welchen Instrumenten, Maßnahmen und Schritten könnte mehr Vielfalt in der Partei etabliert werden?

Erstmal macht der Ton die Musik. Wenn wir um der Freiheit der Einzelnen willen Politik machen, dürfen wir nicht nur Freiheitsrechte verteidigen, sondern müssen uns auch um ein freiheitliches Zusammenleben kümmern. Mit uns muss Staat, muss Miteinander zu machen sein. Ohne Empathie und Rücksicht, ohne einen Comment der Vernunft und Verantwortung stirbt auf Dauer die Freiheit.

Konkret habe ich in meiner letzten Ombudsrede empfohlen, dass wir eine gute Freundin mit liberalem Geist fragen, was sie davon abhält, in die FDP einzutreten. Daran müssen wir dann echt arbeiten. Wir müssen „gute-Freundinnen-fähig“ werden. Dann sollten sich die Männer klarmachen, dass Frauen oft eine andere Partei als Männer erfahren. Dass sie Mist hören, den Männer nie hören und Grenzen bemerken, die Männern egal sind. Und wir sollten Parteiarbeit beteiligungsfreundlich organisieren: Nicht zu früh am Abend, nicht zu lang, auch mal morgens oder mittags, am besten mit digitaler Option. Aber wenn wir’s nur digital machen, verlieren wir viele Ältere. Sonntage sollten außerdem Tabu sein. Dann: Zuhören. Daumenregel: Männer reden zu lang. Und schließlich: Diskutiert unter einem eigenen TOP in Euren Vorständen unsere Leitlinien liberalen Miteinanders. Gelten die schon bei Euch? Habt Ihr schon zwei Vertrauenspersonen gewählt? Und den TOP bitte auf Wiedervorlage.

Der Bundesvorstand hat kürzlich beschlossen, dass wir die Vielfalt der Generationen konzentriert angehen. Aber lasst uns auch vor Ort anfangen, unsere Partei zu einer attraktiven, starken Partei zu machen. Wir wollen wachsen, wir wollen uns entfalten, wir wollen blühendes Parteileben mit vielen bunten Wiesen!

Wo kann ich mir als Ortsverband Expertise zum Thema Vielfalt einholen?

Es gibt von den AGs „Parteientwicklung“ und „Chancen durch Vielfalt“ eine tolle Toolbox, voll mit Anregungen für eine moderne und vielfältige Parteiarbeit. Sie ist ein Angebot, sich inspirieren zu lassen und geeignete Maßnahmen in der Parteiarbeit vor Ort umzusetzen. Gemeinsam machen wir die Idee der Freiheit groß, indem wir noch mehr Menschen für die Arbeit der Freien Demokraten begeistern.

Das Ombudsmitglied ist ein Ehrenamt. Was treibt Sie persönlich an, diese sehr arbeitsintensive Aufgabe zu übernehmen?

Erstmal hatte ich mich vom Bundesvorstand 2014 in die Pflicht nehmen lassen, das neu geschaffene Amt kommissarisch zu übernehmen. Ich war seit 1990 Basismitglied, oft genug frustriert und hatte beruflich schon als Konflikt-Mediator und als Leiter der Abteilung „Politische Planung, Programm und Analyse“ in der FDP-Zentrale gearbeitet. Das waren gute Qualifikationen für das Amt. Aber mich begeistern auch die Gestaltungschancen. Denn eine wehrhafte liberale Demokratie braucht eine starke liberale Partei, die Demokratie nach innen lebt und nach außen prägt. Oft frustriert mich zwar, dass ich ehrenamtlich nicht leisten kann, was wir eigentlich alles professionalisieren müssten. Aber als Freier Demokrat fasziniert mich diese Frage: Wie werden wir eine lernende Organisation in einer lernenden Demokratie? Für mich ist das Arbeit an der Zukunft der Freiheit!

Dr. Christopher Gohl ist seit 1990 Mitglied und seit 2014 Ombudsmitglied der FDP. Der Vater von drei Kindern forscht und lehrt seit 2012 am Weltethos-Institut in Tübingen. Er war 2008 Mitglied der Grundsatzkommission der Jungen Liberalen und verantwortete 2010 bis 2012 in der FDP-Parteizentrale die Konzeption und Redaktion des aktuellen Grundsatzprogramms, der Karlsruher Freiheitsthesen. Als Nachrücker vertrat er den Wahlkreis Tübingen bis Oktober 2021 im Bundestag. Seit 2019 leitet er auch die Kommission Freiheit und Ethik für den Bundesvorstand der FDP. Er wirkte zudem am Andorra Manifesto der Liberalen Internationalen 2017 und am Manifest der ALDE für die Europawahl 2019 mit.