Grundsicherung muss aufstiegsorientierter werden

Die Fortschrittskoalition hat sich vorgenommen, die Grundsicherung zu reformieren. Für die Freien Demokraten bedeutet das: Einfacher, würdewahrender, chancen- und aufstiegsorientierter.

kind, flügel
Die Grundsicherung soll endlich reformiert werden. Die Richtung stimmt, allerdings gilt es noch Detailfragen zu klären.

„Es ist gut, dass die Koalition auf Bundesebene den gemeinsamen Willen besitzt, in dieser wichtigen Frage voranzukommen“, betont FDP-Präsidiumsmitglied Johannes Vogel im Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. „Das ist eine große Herausforderung, aber mit dem Bürgergeld ist es möglich.“ Vogel erkennt an, dass in der Diskussion „normative Grundfragen“ berührt werden, „denen sich ein Sozialstaat immer stellen muss, weil er die Akzeptanz der gesamten Gesellschaft braucht – derjenigen, die ihn gerade in Anspruch nehmen müssen, ebenso wie derjenigen, die ihn gerade finanzieren“.

Kalte Progression abschaffen statt Regelsätze anheben

Vogel kritisiert, dass der Vorschlag von Sozialminister Hubertus Heil (SPD), die Regelsätze der Grundsicherung außer der Reihe anzuheben. Die jährliche Regelsatzanpassung basiere „ohnehin auf der jährlichen Inflationsrate“, weswegen zum 1. Januar 2023 auch ein kräftiger Anstieg kommen wir – „und für die Zeit bis dahin gab es eine Sonderzahlung“, gibt der FDP-Sozialexperte zu bedenken. Der Sozialdemokrat habe ihre Forderung nicht sachlich begründen können.

„Ein Gebot der Fairness wäre es vielmehr, einen genau gegenteiligen Automatismus bei den Menschen mit kleinen Einkommen endlich anzugehen“, stellt er klar. Denn als Reaktion auf die Inflation steigen zwar vielerorts die Löhne, aber gleichzeitig eben auch Steuersätze, „wodurch die Menschen durch das Phänomen der kalten Progression am Ende wieder weniger Geld als vorher in der Tasche haben“. Vogel fordert: „Diese Form der Steuererhöhung durch Unterlassung sollten wir daher endlich abschaffen.“

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Bürgergeld soll fördern und fordern

Auch das vom Koalitionspartner ins Spiel gebrachte Sanktionsmoratorium ist aus Sicht von Vogel kein geeignetes Instrument. Es sei „eine Frage der Fairness“, an den vom Bundesverfassungsgericht geprüften Sanktionen festzuhalten. Denn: Neun von zehn Betroffenen kämen mit den Sanktionen überhaupt nicht in Berührung. Darüber hinaus sei es „eine Frage des Respekts, dass es auch künftig einen Unterschied machen muss, wenn eine kleine Minderheit sich nicht an die Regeln hält“. Durch das Bürgergeld werde der Grundsatz des Förderns und Forderns nicht abgeschafft, unterstreicht er.

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Junge Menschen zu selbstbewussten Piloten des eigenen Lebens machen

Es sei „schreiend unfair“, dass junge Menschen ihr selbstverdientes Geld nicht behalten dürften, wenn die Eltern auf die Grundsicherung angewiesen seien, stellt Vogel klar. „Manche halten das für eine kleine Frage“, räumt er ein. „Ich bin überzeugt, es ist eine große Frage, wenn junge Menschen bei der prägenden Erfahrung des ersten selbst verdienten Geldes spüren, dass ihre Anstrengung weniger wert ist. Das ist das Gegenteil von Chancengerechtigkeit und Aufstiegsperspektive. Gut, dass damit im Bürgergeld Schluss sein wird.“ So werde es möglich, dass junge Menschen zu „selbstbewussten Piloten ihres eigenen Lebens werden“.

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Finanzielle Selbstständigkeit ermöglichen – nicht verhindern

Auch die Hinzuverdienstregeln für Erwachsene sind dem Freien Demokraten nicht fortschrittlich genug: „Menschen sollen durch ihre Arbeit Schritt für Schritt eine Leiter in die finanzielle Selbständigkeit hochklettern können.“ Aktuell sei es jedoch so, dass Betroffene von jedem mehr verdienten Euro 80 Cent abgeben müssten – „in manchen Konstellationen mit Kindern haben sie sogar trotz zusätzlichen Verdiensts nichts mehr in der Tasche“, so Vogel. „Die Reform der Zuverdienstregeln für Jugendliche und für Erwachsene ist daher für uns der zentrale Baustein beim neuen Bürgergeld – für mehr Leistungsgerechtigkeit und Fairness in unserem Sozialstaat“, macht er deutlich.

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Schonvermögen erhöhen, Bürokratie abbauen und Qualifikation ermöglichen

Zahlreiche Verbesserungen, die die Freien Demokraten schon seit langem fordern, finden sich im Reformvorschlag der Ampel wieder. Für Vogel ist deswegen auch klar, dass die geplante Erhöhung des Schonvermögens zahlreiche Vorteile gegenüber der bisherigen Regelung bietet. „Menschen, die etwa durch einen Schicksalsschlag auf die Unterstützung der Solidargemeinschaft angewiesen sind, sollten nicht als Erstes über Details ihres Mietvertrages diskutieren müssen – sondern sich darauf konzentrieren können, so schnell wie möglich finanziell wieder auf eigene Beine zu kommen“, so der FDP-Sozialpolitiker. Außerdem sollten wir Eigenverantwortung, zum Beispiel bei der Altersvorsorge, immer belohnt und nicht bestraft werden.

In den Jobcentern soll es durch die konsequente Entbürokratisierung endlich möglich werden, dass sich die Mitarbeiter auf die Menschen konzentrieren, statt auf Bagatellen. Auch soll in Zukunft die Qualifikation der Menschen in den Fokus gerückt werden, kündigt Vogel an. Um eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt zu gewährleisten: „Die bisherigen Regeln ließen dies aber absurderweise selbst in Zeiten des Fachkräftemangels oft nicht zu – und zwangen Berater stattdessen, Menschen in eine Helfertätigkeit zu vermitteln, aus der in der nächsten Konjunkturdelle nur wieder Arbeitslosigkeit folgt.“

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