Kanzlerwahl mit Makel

Der erste Anlauf misslang, der zweite war ein taktischer Drahtseilakt: Die Kanzlerwahl von Friedrich Merz offenbart die Bruchlinien einer ohnehin fragilen Koalition. FDP-Vize Kubicki erklärt: „Merz hat sein Ziel erreicht – doch die CDU segelt in schwerem Fahrwasser.“

Der Deutsche Bundestag. Bild: katatonia82 / Shutterstock.com
Friedrich Merz konnte die Wahl zum Bundeskanzler erst im zweiten Wahlgang für sich entscheiden.

Ein herber Rückschlag für die neue Regierung: CDU-Chef Friedrich Merz hat im ersten Wahlgang zur Kanzlerwahl keine Mehrheit erzielt. In geheimer Abstimmung erhielt er lediglich 310 Stimmen – sechs weniger als erforderlich. Ein solcher Vorgang ist in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellos und wirft ernste Fragen zur Stabilität der angestrebten Regierung auf.

FDP-Generalsekretär Dr. Marco Buschmann zog ein ernüchterndes Fazit: „Die Koalition aus Union und SPD hat ihren ersten Test nicht bestanden. Der Koalitionsvertrag entfaltet offenbar keine Bindungswirkung.“ Für die Freien Demokraten ist das ein frühes Warnsignal, denn noch vor Amtsantritt steht die Handlungsfähigkeit der neuen Regierung infrage. In Zeiten einer dramatischen Wirtschaftsschwäche und internationaler Verwerfungen ist das ein fatales Zeichen. 

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„Ein Kanzler von Gnaden der Linken“

Fraktionschef Christian Dürr betonte, dass eine instabile Regierung ohne eigene Mehrheit „ein echtes Problem“ darstelle. Noch deutlicher wurde FDP-Vize Wolfgang Kubicki: Das Wahlergebnis sei „nicht einmal knapp“ gewesen – für ihn ein „vernichtender Schlag“ für die Kanzlerambitionen von Merz. Das sei nicht nur eine „Katastrophe“ für Merz selbst, sondern auch „exorbitant schlecht“ für das Land.

Nach dem Scheitern im ersten Wahlgang verständigten sich die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken gemeinsam darauf, von der Geschäftsordnung des Bundestags abzuweichen, um einen zweiten Wahlgang am selben Tag zu ermöglichen. Andernfalls wäre das erst am Freitag möglich gewesen.

Genau vor einem solchen Szenario hatte Kubicki jedoch gewarnt. In einem Interview mit Welt am Dienstagnachmittag mahnte er zur Gelassenheit: „Nichts übers Knie brechen.“ Der zweite Wahlgang solle unter Einhaltung aller Regularien erfolgen – „ohne dass man die Extreme von rechts oder links braucht“. Besonders problematisch erschien ihm eine mögliche Abhängigkeit von der Linken: „Ein Kanzler von Gnaden der Linken – das würde der Hälfte der CDU/CSU-Fraktion den Schlaf rauben.“

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„CDU segelt in schwerem Fahrwasser"

Doch der Appell verhallte ungehört. Merz trat erneut an – und gewann im zweiten Wahlgang die erforderliche Mehrheit. Kubicki kommentierte später auf X: „Am Ende des Tages haben wir einen neuen Bundeskanzler, und ich wünsche Friedrich Merz eine glückliche Hand für die Geschicke unseres Landes.“ Doch er ergänzte auch: „Einen chaotischeren Start hat bislang kein Kanzler erlebt.“

Besonders schwer wiege, dass Merz’ Wahl nur durch die faktische Aufweichung des Unvereinbarkeitsbeschlusses der Union mit der Linken möglich wurde. Dies könnte ihm innerparteilich noch erheblich zu schaffen machen. Kubickis Schluss: „Merz hat sein Ziel erreicht – doch die CDU segelt in schwerem Fahrwasser.“

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