Merz darf sich nicht länger an den Status quo klammern
Für FDP-Vize Henning Höne fällt die Bilanz der neuen Koalition ernüchternd aus - und zwar von der Schuldenbremse bis zur Außenpolitik. Er kritisiert die fehlende Reformbereitschaft der Merz-Regierung.

Hundert Tage ist die schwarz-rote Bundesregierung im Amt und schon jetzt ist klar: Wer gehofft hatte, dass mit Friedrich Merz frischer Schwung in die Politik käme, wird bitterlich enttäuscht. Der Stellvertretende Bundesvorsitzende der Freien Demokraten und Landesvorsitzender der FDP NRW, Henning Höne, zieht im Interview mit web.de eine ernüchternde Zwischenbilanz: „Bislang ist Friedrich Merz der Wortbruch-Kanzler.“
Wortbruch-Kanzler und gefährliche Impulsentscheidungen
Besonders in der Außenpolitik offenbaren sich für Höne Brüche und Widersprüche. Der plötzliche Stopp von Waffenlieferungen an Israel sei nicht nur ein Wortbruch, sondern stelle auch die deutsche Staatsräson in Frage. „Hier hat der Kanzler impulsiv reagiert, ohne Rücksprache mit seinen eigenen Leuten“, kritisiert Höne. Das sei außen-, innen- und sicherheitspolitisch gefährlich.
Deutschland brauche Israel nicht nur als engen Partner in einer schwierigen Region, sondern auch als Lieferanten von Militärtechnologie und Geheimdienstinformationen. „Wer Solidarität predigt, muss sie auch leben – und nicht im Alleingang Entscheidungen treffen, die Vertrauen zerstören.“
Schöne Bilder, schlechte Deals
Auch im Verhältnis zu den USA überwiegt Skepsis. Zwar habe Merz bei seinem Besuch im Weißen Haus „eine gute Figur“ gemacht, doch die Handelsvereinbarung mit 15 Prozent Zöllen auf bestimmte Waren sei ein herber Schlag für die deutsche Exportwirtschaft. „Schöne Bilder aus dem Oval Office reichen nicht, wenn am Ende ein Deal steht, der unserer Wirtschaft schadet.“
Ukraine-Politik: Viel angekündigt, wenig gehalten
Bei der Unterstützung der Ukraine fällt die Bilanz ebenfalls gemischt aus. Zwar sei die frühe Reise nach Paris und Warschau vom Bundeskanzler ein wichtiges Statement gewesen, doch bei den Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern sei von der ersten klaren Haltung des Kanzlers nichts mehr zu hören. „Das Einzige, was bei Friedrich Merz beständig ist, ist der Wortbruch.“
Wirtschaftspolitik: Kleine Schritte, große Bürokratie
Auf dem Papier liest sich die wirtschaftliche Agenda der Koalition vielversprechend: Steuererleichterungen, Bürokratieabbau, ein aufgeweichtes Lieferkettengesetz. In der Realität aber bleibe vieles Stückwerk. Neue Bürokratielasten wie das Tariftreuegesetz konterkarierten die Entlastungen.
Besonders beim Thema Rente setze Schwarz-Rot den falschen Kurs: Festschreibung des Rentenniveaus, teure Mütterrente – statt Reformen zur Stabilität des Systems. „Wir brauchen endlich eine echte Aktienrente und eine ehrliche Debatte über das Renteneintrittsalter – am besten automatisch gekoppelt an die Lebenserwartung.“
Sozialpolitik: Angst vor dem großen Wurf
Höne blickt mit Sorge auf die anstehenden Kommissionen zur Sozialstaatsreform. Die Gefahr sei sehr groß, dass die Ergebnisse von SPD und Unionssozialflügel zerredet werden. „Um uns herum verändert sich die Welt – und Deutschland klammert sich an den Status quo.“
Vier Jahre Stillstand vorprogrammiert
Höne glaubt, dass die Koalition volle vier Jahre durchhält – nicht aus politischer Stärke, sondern weil sie sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt. „Friedrich Merz hat so lange gegen Angela Merkel gekämpft – und ist ihr nun so ähnlich. Wer seine Kanzlerschaft wollte, bekommt jetzt Finanzpolitik von Saskia Esken, Rentenpolitik der Jusos und Außenpolitik von Mützenich und Stegner. Links ist nicht vorbei – links ist das neue Motto von Friedrich Merz!“