Zeit für echte Reformen

Schluss mit wolkigen Worten. Die FDP startet ihren Reformkurs für Deutschland. Vom Bürgergeld auf Kredit bis hin zu mehr Flexibilität in der Arbeitswelt. Auf der Pressekonferenz präsentierte die FDP-Spitze den Weg zum neuen Grundsatzprogramm und lud alle Menschen ein, mitzuwirken.

Nicole Büttner, Christian Dürr und Florian Toncar auf der Pressekonferenz.
v.l.n.r.: Nicole Büttner, Christian Dürr und Florian Toncar auf der Pressekonferenz im Hans-Dietrich-Genscher-Haus.

Wenn die Regierung keinerlei Reformen anstößt, wollen die Freien Demokraten diese Aufgabe umso entschlossener übernehmen. Auf einer Pressekonferenz im Hans-Dietrich-Genscher-Haus am Montag machte FDP-Chef Christian Dürr die Dringlichkeit deutlich: Hinter den 13.000 Stellenstreichungen bei Bosch, 14.000 bei ZF und 4.000 bei Lufthansa stehen Menschen und Schicksale. „Dahinter stecken die Existenzen von vielen Hunderttausenden von Familien.“

Von der Bundesregierung sei jedoch nichts zu erwarten, kritisiert Dürr: „Jens Spahn hat ja bereits in der Fraktion der CDU und CSU verkündet, dass man von einem Herbst der Reformen gar nicht mehr sprechen solle. Das wird offensichtlich dann in einem Winter der Untätigkeit enden.“ Schon jetzt sei klar: Trotz steigender Schulden werden Straßen nicht gebaut. „Die Menschen haben es satt, dass es in wolkigen Worten nur ein Weiter so gibt“, so Dürr in einem Interview mit der FAZ. Genau hier wollen die Freien Demokraten ansetzen: „Wir wollen die Partei sein, die für radikale Veränderungen in Deutschland steht.“

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Dürr bringt Bürgergeld auf Kredit ins Spiel

Welche Veränderungen er meint, machte Dürr am Beispiel der Arbeitswelt deutlich. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte behauptet, die Menschen in Deutschland wollten nicht mehr arbeiten. Für Dürr eine grundfalsche Aussage: „Ich glaube, die Menschen haben sehr wohl Lust, etwas zu leisten. Aber die Frage ist, sind die Rahmenbedingungen so, dass sie stimmen?“ Anstatt die vermeintliche Faulheit der Menschen zu beklagen, setzen die Freien Demokraten darauf, den Sozialstaat treffsicherer zu gestalten und Anreize zu schaffen. „Kann man beispielsweise darüber nachdenken, ob Menschen, die Lust haben, auf Urlaubstage zu verzichten und gleichzeitig mehr Gehalt zu bekommen, ob das im Rahmen des Arbeitsrechts möglich ist?“ 

Auch beim Bürgergeld werde nur mit Worten jongliert. Die Bundesregierung will nun das Bürgergeld in Grundsicherung umbenennen. Das Etikett werde geändert, aber zu einer Ersparnis werde dies nicht führen, kritisiert Dürr. „Deswegen schlage ich etwas radikal anderes vor – eine Grundsicherung auf Kredit.“ Bürgergeld könne als Kredit ausgezahlt werden ähnlich wie beim BAföG und dann zumindest teilweise später im Arbeitsleben wieder zurückgezahlt werden.

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FDP sucht Antworten mit Bürgerinnen und Bürgern

Bis zum kommenden Frühjahr wollen die Freien Demokraten ein neues Grundsatzprogramm mit genau solchen mutigen Lösungen erarbeiten. Nicht im stillen Kämmerlein, sondern gemeinsam mit allen, die Lust und Ideen haben. Viel zu oft hätten die Menschen das Gefühl, dass politische Debatten nichts mit ihrem Leben zu tun hätten, merkt FDP-Generalsekretärin Nicole Büttner an. „Wir wollen liberale Lösungen definieren, die wirklich nah an der Lebensrealität der Menschen sind.“

Dafür gehen die Freien Demokraten neue Wege. „Wir denken nicht aus Arbeitsgruppen- und Fachausschusssicht, sondern so, wie Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen an uns herantragen“, erklärt Büttner. Bereits mehr als 5.500 Menschen haben ihre Sorgen und Probleme online eingereicht. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz wurden daraus zwölf Themenfelder gebildet – darunter finden sich etwa Cluster wie „Komfortzone zu neuem Erfolg“ oder „Politik für Leistung und Anpacken“. Jetzt startet die zweite Phase, in der es um konkrete Lösungen geht. Ziel ist es, diese Grundwerte mit Strukturreformen zu verbinden. Jeder kann online Vorschläge einreichen, kommentieren und liken

„Was wollt ihr eigentlich von einer liberalen Partei?"

Den Prozess begleitet die Grundsatzprogrammkommission unter Leitung von Florian Toncar. Für ihn ist klar: Die veränderte Weltlage verlangt ein neues Programm. „Das völlig veränderte transatlantische Verhältnis, die Fragmentierung der Wirtschaft weltweit, die Bedrohung durch Russland – also völlig neue Entwicklungen.“ Dabei will die FDP stärker auf die Gesellschaft zugehen. „Was wollt ihr eigentlich von einer liberalen Partei? Und was sind denn Projekte und Lösungen?“

Während die Online-Befragung läuft, beteiligen sich auch die Kreisverbände in Workshop-Formaten. Zusätzlich hat der Bundesvorstand auf Vorschlag des Parteivorsitzenden Arbeitsgruppen gebildet, die den Prozess inhaltlich unterstützen. Im Dezember oder Januar soll dann ein erster Textentwurf entstehen. Beim FDP-Bundesparteitag kommendes Jahr soll das neue Grundsatzprogramm dann verabschiedet werden.