Das Wachstumshemmnis sitzt im Klassenzimmer
Woher kommt die deutsche Ablehnung gegenüber Unternehmern? Maren Jasper-Winter sagt: Dieses negative Mindset wird früh vermittelt. Unternehmertum kommt im Unterricht kaum vor, weibliche Vorbilder fehlen – deshalb fordert sie: „Wir sollten Entrepreneurship Education einführen.“
Wenn eine amtierende sozialdemokratische Arbeitsministerin auf einem Juso-Kongress den Klassenkampf gegen Arbeitgeber ausruft und dafür Applaus erhält, ist das für Maren Jasper-Winter, Mitglied des FDP-Bundesvorstands und Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, kein Zufall. Es sei vielmehr das Ergebnis einer fehlgeleiteten Bildungsarbeit. „Es ist das Zutagetreten eines tief sitzenden Misstrauens gegenüber denen, die Jobs schaffen, Risiken tragen und Innovation finanzieren.“ Dieses Denken, so Jasper-Winter, werde bereits früh vermittelt.
Denn das wirtschaftliche Mindset entsteht bereits im Klassenzimmer. Dort prägen sich die Vorstellungen von Arbeit, Wirtschaft und Verantwortung, dort wachsen die Arbeitnehmerinnen, Unternehmer und Gründerinnen von morgen heran. Genau diesen Ort nimmt Maren Jasper-Winter, in einem Gastbeitrag für The Pioneer in den Blick. Ihr Befund ist eindeutig: „Nicht der Kinder- oder Gründermangel ist das Problem, sondern das Mindset dahinter.“ Das eigentliche Wachstumshemmnis, so Jasper-Winter, sitzt im Klassenzimmer.
Das falsche Wirtschaftsbild im Unterricht
Grundlage ihrer Kritik ist eine Analyse der Friedrich-Naumann-Stiftung, die Schulbücher ausgewertet hat. Das Ergebnis beschreibt Jasper-Winter als wirtschaftspolitischen Offenbarungseid. Unternehmerinnen und Unternehmer kommen in den Bildungsmaterialien kaum vor. Wenn sie erwähnt werden, dann meist als Symbol für Fehlentwicklungen. Der Staat erscheint hingegen als dauerhafter Problemlöser, Marktmechanismen bleiben unsichtbar. „Das passt nicht zu einem Standort, der Innovationsführerschaft beansprucht. Es passt eher zu einem Standort, der Angst vor Veränderung hat.“ Die Konsequenz dieser Darstellung ist für Jasper-Winter eindeutig: „Ein Bildungssystem, das Unternehmertum als Elitenprojekt oder Problem darstellt, produziert keine Gründer, keine Erfinder, keine Innovatoren.“
Halbes Talent verschenkt: Gründerinnen kommen in Schulbüchern nicht vor
Besonders gravierend ist ein weiterer Befund: Gründerinnen spielen in den Materialien keine Rolle. Kein einziges weibliches Role Model findet sich in den Schulbüchern. Damit bleibt rund die Hälfte des unternehmerischen Potenzials in Deutschland systematisch unsichtbar, kritisiert Jasper-Winter.
Dieses Defizit ist ausdrücklich kein Ausdruck mangelnder Offenheit bei Lehrkräften oder Schülerinnen und Schülern, betont sie. Eine Studie der Stiftung Familienunternehmen aus dem Jahr 2025 zeigt nämlich ein deutlich anderes Potenzial: „Über 80 Prozent der Wirtschaftslehrkräfte sagen: Unternehmertum gehört ins Kerncurriculum.“ Familienunternehmen genießen großes Vertrauen, und Schülerinnen und Schüler reagieren positiv, sobald Wirtschaft verständlich, konkret und praxisnah unterrichtet wird.
Pflichtfach Unternehmertum: Was sich im Klassenzimmer ändern muss
Aus dieser Analyse leitet Jasper-Winter klare Konsequenzen ab. Wirtschaftsbildung müsse verbindlich ins Klassenzimmer. „Wir sollten Entrepreneurship Education einführen und gleichzeitig finanzielle Bildung anschaulich vermitteln.“ Beides dürfe kein Wahlmodul oder Projektformat sein, sondern müsse zum Kern ökonomischer Grundbildung gehören. Es dürfe nicht dem Zufall überlassen bleiben, ob junge Menschen in der Schule mit Unternehmertum in Berührung kommen. „Wir brauchen eine strukturelle Unterstützung der Schulen über das Einzelengagement von großartigen und besonders engagierten Lehrkräften hinaus“, etwa durch Kooperationen, Mentoringprogramme, Schülerfirmen und Wettbewerbe. Außerdem müssen Unternehmerinnen und Unternehmer realistisch dargestellt werden: als Menschen, die Arbeitsplätze schaffen, Verantwortung tragen und eigenes Kapital einsetzen. „Es ist fahrlässig, sie aus Schulbüchern zu streichen oder ausschließlich negativ zu zeigen.“
Besonders wichtig ist ihr dabei auch die Sichtbarkeit weiblicher Rollenbilder. Fehlen Gründerinnen vollständig, verschenkt ein Land die Hälfte seines Talents. Das sei kein pädagogisches Detail, sondern ein handfester wirtschaftlicher Nachteil.
Ohne Selbstwirksamkeit keine Demokratie
Für Jasper-Winter ist diese Frage letztlich auch eine demokratische. „Demokratie lebt nicht von Passivität.“ Sie lebe davon, dass Menschen glauben, ihr eigenes Handeln zähle. Unternehmerisches Denken bedeute zu glauben: Ich kann etwas gestalten. Ich kann etwas verändern. Ich muss nicht warten, bis der Staat es für mich regelt. Wer jungen Menschen diese Haltung nehme, nehme ihnen auch das Gefühl, selbst etwas bewirken zu können. „Und eine Demokratie ohne selbstwirksame Bürger ist schwach – egal wie stark ihre Institutionen aussehen.“ Stattdessen entstünden Risikoaversion und Abhängigkeit.
Am Ende steht eine klare Warnung. Deutschland werde nicht an zu wenig Regeln scheitern, sondern an zu wenig Mut. Kindern müsse wieder zugetraut werden, Lösungen zu finden, Chancen zu erkennen, zu scheitern und wieder aufzustehen. Ein realistisches, modernes und positives Unternehmerbild sei kein Nice-to-have. „Es ist ein Fundament für wirtschaftliche Stärke – und für demokratische Stabilität.“
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