Musterung für Frauen und moderne Militärakademien

Für die Bundeswehr ist ein neuer, teils auf Freiwilligkeit basierender Wehrdienst geplant. Marie-Agnes Strack-Zimmermann fordert, auch Frauen in die Musterung einzubeziehen: „Es gibt keinen Grund, auf die Hälfte der Bevölkerung zu verzichten.“

Deutsche Soldaten der Bundeswehr stehen in einer Reihe
Bei der Verteidigung unseres Landes können wir es uns nicht leisten, auf die Hälfte der Bevölkerung zu verzichten.

Deutschland muss dringend verteidigungsfähiger werden: Es fehlt sowohl an Material als auch an Personal. Nach langem Streit hat sich die Bundesregierung nun auf ein neues, zunächst freiwilliges Wehrdienst-Modell geeinigt, um zusätzliche Kräfte zu gewinnen. Eine Pflicht besteht vorerst nur für junge Männer, zur Musterung zu erscheinen. Doch sollte sich nicht genügend freiwilliger Nachwuchs melden, hält sich die schwarz-rote Koalition die Option einer Wiedereinführung der Dienstpflicht offen. Für Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende des Europäischen Verteidigungsausschusses, ist klar: „Wer Deutschland verteidigen soll, muss das aus Überzeugung tun, weniger aus Zwang.“ Der freiwillige Dienst sei deshalb der richtige Schritt.

Strack-Zimmermann kritisiert in einem Interview mit WELT jedoch, dass die Hälfte der Bevölkerung beim Thema Musterung außen vor bleiben soll. „Es gibt keinen Grund, auf die Hälfte der Bevölkerung zu verzichten.“ Eine Beteiligung von Frauen würde eine Grundgesetzänderung erfordern, ist nach ihrer Einschätzung aber „verfassungsrechtlich möglich“. Für die Freien Demokraten ist Gleichberechtigung auch in der Verteidigung selbstverständlich.

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Zu viel Bürokratie, zu wenig Tempo

Als Nächstes plant das Verteidigungsministerium, zunächst einen Fragebogen zu verschicken, bevor die eigentliche Musterung beginnt. Strack-Zimmermann hält dieses Vorgehen für unnötig kompliziert: „Weil er das Verfahren unnötig verlängert. Stattdessen sollte es sofort die Musterung geben an den Schulen, Berufsschulen, Ausbildungsstätten.“ Deutschland müsse schneller werden – und das ohne neue Bürokratie. Attraktivität entstehe nicht durch Formulare, sondern durch konkrete Angebote: Stipendien, Zuschüsse, echte Perspektiven. Vor allem brauche es langfristige Anreize.

Militärakademien als Innovationsmotor

Um junge Menschen zu gewinnen und gleichzeitig die Verteidigungsfähigkeit zu stärken, bringt Strack-Zimmermann die Idee von Militärakademien ins Spiel. Militärische Forschung und Studium sollen hier ineinandergreifen: „Sie können dort einen Bachelor in Informatik, Ingenieurwesen oder Volkswirtschaft machen, ihre Kenntnisse in militärische Forschung einbringen und anschließend in zivilen Bereichen anwenden.“ Wer sich verpflichte, erhalte ein praxisorientiertes Studium und könne danach eigene Projekte umsetzen – etwa in Cybersicherheit, Drohnentechnik oder KI. „So entsteht Innovation, die sowohl Verteidigung als auch Wirtschaft stärkt“, betont die Verteidigungsexpertin. Ohne militärische Entwicklung gäbe es weder GPS noch das Internet – auch keine Mikrowelle, wie Strack-Zimmermann erinnert.

Kritik an Personalentscheidungen Jens Plötner

Für Unverständnis sorgt bei ihr die Entscheidung von Verteidigungsminister Boris Pistorius, den Diplomaten Jens Plötner als Staatssekretär für Aufrüstung und Beschaffung zu berufen. Plötner habe in der Vergangenheit Panzerlieferungen an die Ukraine gebremst und die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern verhindert. „Jetzt ausgerechnet ihn zum Chef der Beschaffung zu machen, ist, als würde man den Bock zum Gärtner befördern.“ Wer jahrzehntelang für eine Russland-Politik gestanden habe, die beschwichtigte und verharmloste, sei kaum der Richtige, um Deutschlands Aufrüstung zu organisieren – und damit genau vor dem Russland zu schützen, das Europa bedroht.

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Die Erwartung in Europa ist klar: Deutschland soll führen

Die Professionalisierung der Bundeswehr werde laut Strack-Zimmermann auch im europäischen Ausland genau verfolgt. „Die Erwartung ist klar: Deutschland soll führen.“ Aktuell werde Deutschland dieser Rolle jedoch nicht gerecht.

Die Mehrheit der europäischen Staaten nehme die Bedrohung aus Russland sehr ernst. Das Thema Sicherheit sei längst im Zentrum Europas angekommen: „Wir haben mittlerweile einen EU-Kommissar für Verteidigung und Weltraum, eine Vizepräsidentin für Cyberspace und Grenzschutz und eine Hohe Beauftragte für Außenpolitik. Alle drei kommen aus Ländern mit russischer Grenze.“  Klar sei, dass sich kein Land selbst verteidigen könne. Im Europäischen Parlament wurde deshalb nach monatelangen Verhandlungen mit Rat und Kommission das erste gemeinsame europäische Verteidigungsindustrieprogramm verabschiedet.