Ab heute geht die Arbeit los

Christian Dürr ist der neue Bundesvorsitzende der Freien Demokraten. In seiner Vorstellungsrede setzt er klare Akzente: für Meinungsfreiheit, wirtschaftliche Vernunft und eine geschlossene liberale Partei.

Christian Dürr
Christian Dürr ist neuer FDP-Chef. © James Zabel

Die Freien Demokraten haben bei ihrem 76. Ordentlichen Bundesparteitag in Berlin ein klares Zeichen gesetzt: Trotz des Ausscheidens aus dem Deutschen Bundestag bleibt die FDP eine gestaltende Kraft im politischen Diskurs Deutschlands. Christian Dürr errang 82 Prozent der Stimmen. Seine Wahl läutet eine neue Phase ein – nicht des Rückzugs, sondern des selbstbewussten Wiederaufbaus. „Es gibt die Freien Demokraten in Deutschland. Und es wird sie auch weiterhin geben“, ruft Dürr den Anwesenden zu.

„Ja, wir haben eine Bundestagswahl verloren. Aber die Konsequenz daraus ist nicht, die Kraft des Liberalismus zu teilen, sondern sie zu stärken.“ Dürr macht deutlich: Jetzt erst recht. Es gehe nicht darum, sich in eine Richtung treiben zu lassen – weder nach rechts noch nach links. „Diese Sirenenrufe, wir hören sie, aber wir folgen ihnen nicht.“

Wider die politischen Extreme

Der neue Parteichef ordnet die Wahlniederlage in einen größeren gesellschaftspolitischen Kontext ein. „Nicht wenige vergleichen die aktuelle politische Situation mit der Endphase der Weimarer Republik.“ Ohne in historische Alarmismen zu verfallen, verweist Dürr auf die Gefahr der Fragmentierung des Liberalismus. „Mit der Aufspaltung des politischen Liberalismus in zwei Lager ist nichts gewonnen.“

Stattdessen fordert er Einigkeit und Klarheit im Profil. Er bezieht sich auf den ersten Parteichef der FDP, Theodor Heuss, der den Liberalismus im Spannungsfeld zwischen der Freiheit des Individuums und der Verantwortung für die Gemeinschaft verortet hatte. Genau diese Spannung sei die Stärke der Freien Demokraten, „nicht unsere Schwäche“, so Dürr.

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Meinungsfreiheit stärken

Einen inhaltlichen Schwerpunkt setzt Dürr beim Thema Meinungsfreiheit: „Seit 2023 sagt die Mehrheit in Deutschland, es sei besser, bei der Äußerung der eigenen Meinung vorsichtig zu sein. Dann haben wir ein ernsthaftes Problem.“ Die geplanten Eingriffe der neuen Bundesregierung in den digitalen Diskurs, wie etwa ein öffentlich-rechtlicher Faktencheck, seien aus Sicht der FDP nicht akzeptabel: „Die Reaktion des Staates darf eben nicht sein, dass er anfängt, Meinungen besonders zu hinterfragen.“

Dürr fordert in diesem Zusammenhang die Abschaffung des §188 StGB, der Politikerinnen und Politiker in besonderer Weise vor Kritik schützt: „Nicht mehr zeitgemäß.“ Meinungsfreiheit sei kein Privileg für bestimmte Gruppen, sondern ein Grundrecht.

Haushaltspolitik mit Maß

Deutliche Kritik richtet sich an die neue Bundesregierung, die ein milliardenschweres Schuldenpaket beschlossen hat. „Heute reden wir von zusätzlichen Schulden von bis zu einer Billion Euro in Deutschland. […] Wenn man das herunter rechnet, bedeutet das für jeden in Deutschland vom Baby bis zum Rentner 12.000 Euro pro Kopf.“

Die FDP hingegen habe im Bundestag und im Bundesrat klar Haltung gezeigt: „Wir haben gestanden.“ Besonders kritisch sieht Dürr die Entwicklung der Staatsquote, die auf über 51 Prozent steigen soll. Helmut Kohl habe einmal gesagt, dass ab 50 Prozent Staatsquote der Sozialismus beginne: „Wenn man das zugrunde legt, dann wäre Friedrich Merz der erste sozialistische Bundeskanzler.“

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Politik braucht Mut

„Das Problem in Deutschland ist nicht, dass der Staat im Verhältnis zu den privaten Haushalten zu wenig Geld hat. Das Problem ist, dass Politiker nicht in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen und Mut zu fassen“, stellt Dürr klar. Deutschland brauche Mut zu grundsätzlichen Reformen. „Das Signal dieses Bundesparteitags muss sein: Die Freien Demokraten, sie haben den Mut zu grundsätzlichen Entscheidungen und Änderungen in der Bundesrepublik Deutschland.“

Fleißige Mitte darf nicht vergessen werden

„Die neue Bundesregierung lässt diejenigen allein, die ihre Lebenschancen in die eigenen Hände nehmen wollen. Das sind die wahren Leistungsträger.“ Gerade diese Mitte gerate zunehmend unter Druck – durch „mangelnde Reformen“ und „steigende Sozialabgaben“, die reale Auswirkungen haben: „Drei Viertel der Menschen in Deutschland sorgen sich um ihre wirtschaftliche Zukunft.“ Diese Sorge ist keine gefühlte Wahrheit, sondern Fakt: „Der Haushalt in der Mitte hat in den letzten Jahren in seinem Nettovermögen von über 90.000 Euro auf 76.000 Euro verloren.“

Freiheit konkret gestalten

„Wir müssen diesem Land ein programmatisches Angebot mit Mut machen“, fordert Dürr. Denn: „Die Menschen wollen, dass sich etwas ändert.“ Mit einem neuen Grundsatzprogramm unter dem Arbeitstitel „Freiheit Konkret“ will er „unsere liberalen Zielsetzungen und Überzeugungen in die konkrete Lebenswirklichkeit der Menschen übersetzen“. Ziel sei es, auf die relevanten Fragen der Zeit mit eigenständigen Ideen und Konzepten zu antworten – von der Rente bis hin zu tiefgreifender Bürokratieentlastung.

Diese programmatische Erneuerung soll kein Projekt von Funktionären sein, sondern ein gemeinsamer Prozess: „Es fängt mit euch an, es fängt mit uns an, es fängt mit dir an, mit jedem einzelnen von euch.“ Deshalb schlägt Dürr vor, „dass ein Mitglied des Bundespräsidiums für genau diese Parteireform zuständig ist“. Die Freien Demokraten wollen zeigen, „dass man dieses Land besser machen kann – mit sehr konkreten Antworten für die Zukunft“. Sein Anspruch: Inhaltlich und organisatorisch die modernste Partei in Deutschland zu sein.

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Migrationspolitik neu denken

Er berichtet von einer Begegnung in einer Flüchtlingsunterkunft, die bei ihm Fragen aufkommen lässt: „Warum sitzt eine junge Familie, die Eltern gut ausgebildet, in einer Niedersächsischen Flüchtlingsunterkunft? Warum sind die nicht längst in Lohn und Brot in einem niedersächsischen Unternehmen?“ Die irreguläre Migration nach Deutschland muss unterbunden werden. 

Er schlägt vor bei den Ursachen anzusetzen: Den hohen Sozialleistungen für Asylbewerber. Ich bin eher bereit, auf diese Sozialleistungen zu verzichten als auf kluge Talente für unseren Arbeitsmarkt, die in Deutschland eine Zukunft haben.“ Es müsse klar sein, dass in Deutschland für alle offen sei, „die unsere Werte teilen, sich an Recht und Gesetz halten, bereit sind, die deutsche Sprache zu lernen und im deutschen Arbeitsmarkt unterwegs zu sein“.

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Freie Demokraten sind keine Feiglinge

„Wir haben Zitronen geliefert bekommen. Daraus will ich, dass wir Tausende von Litern großartiger, bester Limonade machen“, greift er zum Schluss seiner Rede das Parteitagsmotto auf. „Ich will, dass jeder Einzelne in Deutschland eine echte Chance auf eine großartige Zukunft hat.“ Er ist überzeugt, dass die Freien Demokraten es mit allen politischen Mitbewerbern aufnehmen können. Er ruft den Delegierten zu; „Ich will, dass wir uns ab heute aufmachen. Die Freien Demokraten zu der Partei in Deutschland machen, die aus unserem Land wieder ein Zukunftsland macht.“