Die Freien Demokraten leben

Johannes Vogel hat den 76. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokraten eröffnet. Vogel lädt alle, die den offenen Horizont als Chance verstehen ein, an der Erneuerung der FDP mitzuwirken.

Johannes Vogel
Johannes Vogel eröffnet den 76. Ord. Bundesparteitag © Sanjar Khaksari

„Vor uns liegt einer der wichtigsten Parteitage der FDP“, eröffnete FDP-Vizechef Johannes Vogel den 76. Ordentlichen Bundesparteitag in Berlin. Er ordnet vor den 662 Delegierten und zahlreichen Gästen die aktuelle Lage klar ein: „Diese Traditionspartei ist zum zweiten Mal in der Geschichte nicht wieder in den Deutschen Bundestag gekommen. Und seien wir ehrlich: Das ist ein existenzbedrohender Einschnitt.“ Doch trotz der Lage ist Vogels Botschaft klar: „Aber diese Partei lebt. Sie lebt vor allem wegen ihren 70.000 Mitgliedern.“

Diese Mitglieder seien es, die nun die Delegierten nach Berlin entsendet haben: „Wir beginnen hier den Neubeginn der Freien Demokraten.“

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Neubeginn ist möglich

Vogel zieht Parallelen zum legendären Parteitag 2013: „Ich erinnere mich gut… Kein Geld, kaum Gäste, kaum Aussteller. Es war so ein bisschen wie in diesem Western, in dem die Büsche über die leere Straße geweht werden.“

Heute hingegen sei das Bild ein anderes: „Ich begrüße die über 1200 angemeldeten Gäste für diesen Parteitag.“ Und auch zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Diplomatie, Wirtschaft, Verbänden und internationalen liberalen Parteien waren anwesend. „Sie zeigen, dass es uns auch zugetraut wird. Vielen Dank, dass Sie heute bei uns sind.“

Klare Kante gegen Antisemitismus

Die politische Lage blendet Vogel nicht aus. Er erinnert an die Ereignisse der vergangenen Nacht: „Diese Nacht hier in Berlin gab es eine antiisraelische Demonstration mit 50 Festnahmen. Bei diesen 50 Festnahmen wurden mehrere Polizisten verletzt, einer davon schwer.“

Deutlich positioniert sich Vogel im Namen der Partei: „Wir dulden keinen Antisemitismus auf deutschen Straßen und unsere Solidarität gilt denjenigen, die für uns und unseren Rechtsstaat die Knochen hinhalten.“ Das erste Signal dieses Parteitags sei deshalb: „Wir wünschen den Polizisten und Polizistinnen von hier aus gute Genesung. Danke für Ihren Einsatz.“

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Kritik an der neuen Bundesregierung

Die aktuelle Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz nimmt Vogel auch aufs Korn: „Diese Regierung konnte sich auf eines einigen, nämlich ein Allzeithoch bei der Staatsverschuldung.“ Reformen jedoch bleiben aus: „Die großen Strukturreformen, sie fehlen in diesem Regierungsprogramm komplett.“

Besonders kritisiert Vogel die Rentenpolitik. Seine Einschätzung: Eine Reform der Rente von sei von dieser Regierung – Stand heute – nicht zu erwarten. In Richtung SPD-Bundessozialministerin Bärbel Bas sagt er: „Legen Sie lieber mal Ihre Aversion gegen Aktien und Ihre antikapitalistischen Reflexe ab. Dann kriegen wir die sozialen Sicherungssysteme in diesem Land auch reformiert.“

Bei aller Kritik steht für Vogel und die Freien Demokraten allerdings das Land im Vordergrund. Denn anders als die politischen Ränder, setzt die FDP auf Lösungen und nicht auf Blockade: „Wir wünschen dieser Regierung Erfolg. Denn wir wollen, dass unser Land sich auf den Weg nach vorne macht.“ Im Bundestag jedoch zeige sich: „Die liberale Stimme fehlt.“

Selbstreflexion und Neuanfang

Der Parteitag sei auch eine Zeit der Selbstreflexion: „Wir müssen uns fragen, was wir tun können, dass die Menschen uns wieder vertrauen.“ Ehrlich und selbstkritisch, gerade auch die Führung: „Alle Beteiligten, gerade auch die, die in Berlin Verantwortung getragen haben, wie ich und andere.“

Ziel sei es, ein neues Führungsteam zu wählen, „was diesen Prozess strukturieren soll, steuern soll, leiten soll – auf Basis professioneller Daten und mit einem Geist, der sich fragt: Was können wir aus unserer einstmals bereits bewältigten Erneuerung lernen?“ Auch strategisch müsse sich die FDP neu sortieren.

Udo Di Fabio: Liberalismus als Verfassungsauftrag

„Der politische Liberalismus übersetzt den Kern der Verfassung in die gesellschaftliche Wirklichkeit, und deshalb ist er unentbehrlich“, betont Udo Di Fabio in seinem Grußwort auf dem Bundesparteitag der Freien Demokraten. Er erinnert daran, dass Artikel 21 des Grundgesetzes den Parteien eine tragende Rolle bei der politischen Willensbildung zuweist. Die FDP sei in dieser Aufgabe systemrelevant, weil sie den „Kern liberaler Verfassungsüberzeugung“ verteidige – das Versprechen auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf Eigenverantwortung und gesellschaftliche Teilhabe. In einer Zeit zunehmender Stimmungsschwankungen und wachsender Polarisierung sei das liberale Programm nötiger denn je.

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Freiheit braucht Verantwortung

Di Fabio warnt zugleich vor einer schleichenden Erosion der freiheitlichen Ordnung durch Überregulierung, Bürokratie und Entmutigung der Leistungsträger: „Der Sozialstaat braucht den wirtschaftlichen Erfolg. Er braucht eine wettbewerbsfähige, starke Wirtschaft, und er braucht einen starken Mittelstand.“ Dabei müsse die FDP ihr liberales Profil schärfen – mit einem konzeptionellen Anspruch und dem Mut zur Programmatik. „Sie müssen erfolgreich sein für unsere Demokratie“, appelliert er an die Delegierten.