Warum Europa die russischen Milliarden freigeben muss

Die EU unterstützt die Ukraine mit einem 90-Milliarden-Euro-Kredit. Die eingefrorenen russischen Mittel werden dafür aber jetzt doch nicht genutzt. "Die gute Nachricht ist, dass die Ukraine Geld erhält", sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Der Beschluss dokumentiere aber vielmehr die Uneinigkeit Europas.

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Für Strack-Zimmermann ist klar: Statt europäischer Steuergelder sollte das Geld des Aggressors eingesetzt werden, der das Leid in der Ukraine verursacht hat.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich darauf verständigt, der Ukraine in den kommenden zwei Jahren 90 Milliarden Euro als Kredit bereitzustellen. Bundeskanzler Friedrich Merz spricht von einem Erfolg. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europäischen Parlament sieht dies anders. Nach Ansicht von Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist die EU damit unter ihren Möglichkeiten geblieben. „Und auch der Bundeskanzler ist unter seinen Möglichkeiten geblieben, denn er hat ja angekündigt, sich auf den Weg zu machen, durchzusetzen, dass die Mittel, die eingefrorenen Assets freigegeben werden“, sagte die FDP-Politikerin gegenüber dem WDR5 „Morgenecho“. Damit wird klar: „Auch für diesen Kanzler wachsen die europäischen Bäume offenbar nicht in den Himmel.“

Das einzig Gute sei, dass die Hilfe für die Ukraine jetzt zumindest bis Ende 2027 weiterfinanziert sei. Für Strack-Zimmermann geht es weiterhin um nichts weniger als die Glaubwürdigkeit Europas. Die Entscheidung, russische Staatsgelder nicht direkt für die Ukraine einzusetzen, sei ein falsches Signal. „Es ist ein Kompromiss, aber kein guter Kompromiss“, sagte sie im Interview mit radioeins. Zwar sei es richtig und wichtig, dass die Ukraine finanziell handlungsfähig bleibe. Doch der ursprüngliche Anspruch, die eingefrorenen russischen Vermögenswerte konsequent zu nutzen, sei verfehlt worden. 

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Der lange Arm Putins reicht bis nach Europa

Auch aus Sicht von Strack-Zimmermann ist die Einigung des EU-Gipfels Ausdruck mangelnder Entschlossenheit. Europa sei mit dem beschlossenen Kredit deutlich unter seinen Möglichkeiten geblieben, sagte die FDP-Politikerin im WDR5-„Morgenecho. Das gelte auch für Bundeskanzler Friedrich Merz, der angekündigt habe, sich für die Freigabe der eingefrorenen russischen Vermögenswerte einzusetzen, sich damit jedoch nicht habe durchsetzen können. Positiv sei allein, dass die Unterstützung der Ukraine nun zumindest bis Ende 2027 gesichert sei. 

Zugleich verwies Strack-Zimmermann auf Befürchtungen innerhalb der EU vor möglichen russischen Gegenmaßnahmen im Falle eines Zugriffs auf die Assets. „Das zeigt, dass der lange Arm Putins bis Europa reicht“, so die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Nach einem Ende des Krieges könnten die eingefrorenen Vermögenswerte als Reparationszahlungen herangezogen werden. An das in Europa liegende russische Geld werde Moskau „definitiv nicht mehr herankommen“. 

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Europas Sicherheit steht auf dem Spiel

Dass sich der Gipfel nun auf einen Kredit statt auf die Freigabe russischer Gelder verständigt hat, ist für Strack-Zimmermann ein verpasstes Signal. Die Ukraine sei zwar vorerst durchfinanziert, Europa habe aber eine Chance vertan, politische Stärke zu zeigen. „Das war heute Nacht keine Demonstration europäischer Souveränität“, sagt sie. Die Frage, ob Europa bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und den Aggressor zahlen zu lassen, bleibt damit weiter offen. 

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Europa verzwergt sich selbst

Dabei stehen in der EU rund 210 Milliarden Euro russischer Staatsgelder zur Verfügung, der Großteil davon bei dem belgischen Finanzdienstleister Euroclear. Strack-Zimmermann hatte immer wieder gefordert, dieses Geld freizugeben, um die Ukraine wirtschaftlich zu stabilisieren und zugleich den Aggressor für die Kosten des Krieges in Haftung zu nehmen. Dass Europa stattdessen erneut in Vorleistung gehe, schwäche die eigene Position. „Wenn die EU-Regierungschefs nicht selbstbewusst und entschlossen handeln, verzwergt sich die EU endgültig“, hatte sie bereits vor dem Gipfel gewarnt

Aus Sicht der FDP-Politikerin hat die Entscheidung auch geopolitische Konsequenzen. Europa drohe zwischen den Vereinigten Staaten und Russland zum Spielball zu werden, gerade mit Blick auf anstehende Friedensgespräche, etwa am Wochenende in Miami. Die USA seien längst nicht mehr verlässlich transatlantisch ausgerichtet, sondern näherten sich in Teilen der russischen Perspektive an. Umso wichtiger wäre es gewesen, dass Europa eigene Stärke demonstriert. „Es wird sich entscheiden, ob die EU eine globale Rolle spielt oder zu einer internationalen Nullnummer wird“, so Strack-Zimmermann. 

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Aggressorgeld statt Steuerzahlergeld

Hinzu kommen ganz praktische Folgen. Scheitert der Zugriff auf russische Vermögenswerte dauerhaft, müssen die Mitgliedsstaaten die Unterstützung der Ukraine aus ihren eigenen Haushalten finanzieren. Das sei weder gerecht noch nachhaltig. „Es ist deutlich sinnvoller, Aggressorgeld zu nutzen statt das Geld europäischer Steuerzahler“, betont Strack-Zimmermann. Ein Zugriff auf die eingefrorenen Gelder würde Russland zudem empfindlich treffen. Entgegen der Behauptungen von rechts und links zeigten die mittlerweile 19 Sanktionspakete Wirkung. Die russische Wirtschaft stagniere, die Inflation sei hoch und Präsident Putin brauche jeden verfügbaren Cent. 

Rechtliche Bedenken, insbesondere aus Belgien, lässt Strack-Zimmermann nicht gelten. Zwar seien mögliche Haftungsfragen ernst zu nehmen, doch dürfe kein Mitgliedstaat allein gelassen werden. „Selbstverständlich stehen alle EU-Staaten gemeinsam dafür gerade, auch Deutschland.“ Letztlich gehe es nicht um juristische Detailfragen, sondern um die Sicherheit Europas insgesamt. Russland übe Druck auf alle europäischen Staaten aus, wenn auch in unterschiedlicher Form. 

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