Ganz Europa muss an der Seite der Ukraine sitzen

Während in Berlin über Frieden gesprochen wurde, machte Marie-Agnes Strack-Zimmermann deutlich, wie offensichtlich der Versuch Putins und Trumps sei, Europa zu spalten. Gerade deshalb müsse Europa geschlossen handeln und dürfe sich nicht auseinanderdividieren lassen.

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Strack-Zimmermann ist überzeugt: Fällt die Ukraine wird sich das Leben der Menschen in Europa, unserer Kinder und Kindeskinder, komplett verändern.

Im Kanzleramt trafen sich am Montag hochrangige Vertreter zu Gesprächen über den Ukrainekrieg. Mit dabei waren der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der US-Sondergesandte Steve Witkoff sowie Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europäischen Parlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, warnt in diesem Zusammenhang vor einer deutschen Sonderrolle und mahnt eine geschlossene europäische Haltung an.

„Dass über einen möglichen Frieden gesprochen wird, ist gut. Nichtsdestotrotz darf dies keine ausschließlich deutsche Angelegenheit sein, sondern ganz Europa muss an der Seite der Ukraine sitzen“, sagt Strack-Zimmermann. Entscheidend sei deshalb, dass möglichst viele europäische Partner in die Gespräche eingebunden wurden. Mit dabei waren europäische Spitzenvertreter wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident António Costa sowie die Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Großbritannien, Polen, Dänemark, den Niederlanden, Italien und Schweden. Treten die 27 EU-Staaten geschlossen auf, könnten sie die Pläne der USA und Russlands erheblich stören, so Strack-Zimmermanns Überlegung. 

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Die Vereinigten Staaten verhandeln im Interesse Russlands

Denn der Versuch Putins wie auch Trumps, Europa zu spalten, ist aus ihrer Sicht offensichtlicher denn je. In diese Falle dürfe der Bundeskanzler nicht tappen. „Den Ukrainern gegenüber sitzen die Vereinigten Staaten und verhandeln im Interesse Russlands und augenscheinlich auch im eigenen wirtschaftlichen Interesse.“ Die Amerikaner seien nicht die Anwälte der Ukraine und der freien Welt, sondern verträten faktisch Moskau. Ein Kurswechsel, der für Strack-Zimmermann „immer noch bei allem Respekt komplett verstörend ist“.

Die Wahrscheinlichkeit einer Waffenruhe oder eines nachhaltigen Friedens sei angesichts dessen „äußerst gering, denn Putin will die totale Zerstörung und Übernahme der gesamten Ukraine“, warnt Strack-Zimmermann. Bundeskanzler Merz hatte die Berliner Gespräche vorab als Friedenschance bezeichnet. Für Strack-Zimmermann waren diese Erwartungen angesichts der Besetzung des Verhandlungstisches jedoch deutlich zu hoch gegriffen. Dass Putin bei den Berliner Gesprächen nicht dabei war, verhindere ein ernsthaftes Vorankommen, betont die Verteidigungsexpertin bei Politico. Der russische Staatschef habe bereits verlautbaren lassen, dass ihn eigentlich nicht wirklich interessiert, was dort passiere. Am Tisch hätten zudem nicht die Außenminister der Vereinigten Staaten gesessen, sondern lediglich Stellvertreter. Diskutiert wurde ein 20-Punkte-Plan, der auf Trumps 28-Punkte-Plan aus dem November aufbaut und an dessen Ende ein Waffenstillstand stehen soll.

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Gebietsabtretungen kämen einer Einladung zur Expansion gleich

Eindringlich warnt Strack-Zimmermann bei WELT vor von Trump und Russland geforderten Gebietsabtretungen im Donbass. Große Teile dieser Region seien bislang nicht einmal von Russland kontrolliert. Würden diese Gebiete dennoch zugestanden, wäre das aus ihrer Sicht eine klare Motivation für weitere Expansionen. „Wenn er damit Erfolg haben sollte, ist das nur eine Frage der Zeit, zwei, drei Jahre. Dann wird er seine Kräfte gesammelt haben und dann wird er wieder angreifen.“

Es sei jetzt wichtig, dass Europa entschlossen handle. Zunächst müsse Europa die eingefrorenen russischen Vermögenswerte freigeben und der Ukraine zur Verfügung stellen. Strack-Zimmermann hofft, dass bis Ende dieser Woche rund 140 Milliarden Euro an russischen Assets freigegeben werden, damit die Ukraine wirtschaftlich überleben und sich militärisch verteidigen könne. „Dieser mutige und überfällige Schritt wird darüber entscheiden, ob Europa als internationaler Akteur künftig noch eine ernsthafte Rolle spielen wird.“ Für Putin, der mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen kämpfe, wäre dies ein spürbarer Verlust. Für die Ukraine seien die Gelder überlebenswichtig, um ihre Wirtschaft am Laufen zu halten.

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Weitreichende Waffen und klare Sicherheitsgarantien

Zweitens müsse die Ukraine endlich weitreichende Waffen erhalten, um militärische Ziele in Russland zu neutralisieren, darunter Öl- und Gasanlagen, Lagerstätten sowie Abschussrampen, von denen täglich Marschflugkörper, Drohnen und Raketen auf die Ukraine abgefeuert würden.

Drittens brauche die Ukraine Sicherheitsgarantien für den Fall, dass sie auf einen NATO-Beitritt verzichtet. Diese könnten so ausgestaltet sein, dass europäische Truppen in den baltischen Staaten, in Polen, Rumänien sowie möglicherweise auch in Tschechien und der Slowakei stationiert würden, also in den Staaten mit direkter Grenze zur Ukraine. Im Falle eines erneuten Angriffs könne die Ukraine dann unmittelbar unterstützt werden. Das wäre ein klares Signal und könnte weitere russische Angriffe verhindern.

Friedensprojekt Europa steht auf der Kippe

Strack-Zimmermann ist überzeugt: Gelinge es Europa nicht, den Frieden in der Ukraine zu sichern, stehe das Friedensprojekt Europa nach 80 Jahren erstmals auf der Kippe. „Und das wird das Leben der Menschen in Europa, unserer Kinder und Kindeskinder, komplett verändern.“