Souveränität ist die Freiheit, selbst zu entscheiden
Berlin war Dienstag Schauplatz für den Europäischen Gipfel der Digitalen Souveränität. Ziel des Gipfels: Europa soll schneller digital unabhängiger werden. FDP-Generalsekretärin Nicole Büttner ist vom Gipfel enttäuscht. Ihr fehlt ein konkreter Umsetzungsplan.
Kanzler Friedrich Merz, Präsident Emmanuel Macron und ihre Digitalminister sind in Berlin mit 900 Konzernchefs, Start-up-Gründern und Wissenschaftlern zusammengekommen, um Antworten auf eine existenzielle Frage zu suchen: Was können die EU-Staaten, allen voran Deutschland und Frankreich, der rasant wachsenden Macht amerikanischer und chinesischer Digitalkonzerne entgegensetzen, um die Souveränität der europäischen Demokratien zu bewahren?
Deutschland und Frankreich wollen die digitale Aufholjagd hinter den USA und China anführen. Sowohl Kanzler Friedrich Merz als auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnten auf dem Digitalgipfel, dass Europa sonst zum Spielball der beiden Supermächte werde.
„Beim Gipfel entscheidet sich, ob Europa mutig in Menschen und Technologien investiert oder sich im Protektionismus einrichtet“, hatte FDP-Generalsekretärin Nicole Büttner hohe Erwartungen an den Gipfel. Sie meint: „Setzen wir auf Innovation und Talent, kann dieser Gipfel der Beginn einer echten europäischen Aufwärtsspirale aus Sicherheit, Fortschritt und Freiheit werden.“ Ihr Fazit fällt nun ernüchternd aus: „Es sind wieder Absichtserklärungen und Taskforces, bei denen wir dann in einem Jahr schauen, was umgesetzt wurde.“
Wirtschaftliche, digitale und geopolitische Stärke zusammendenken
Der Investorin und KI-Expertin fehlt ein konkreter Umsetzungsplan. „Hier auf dem Gipfel fehlen die Unternehmen, die die Technologie einsetzen und als Kunden auftreten sollen“, so Büttner. Weder der Verteidigungssektor noch die Energiewirtschaft oder große Industrieunternehmen seien ausreichend vertreten. Ähnliche Kritik äußern auch führende Unternehmensvertreter.
Büttner warnt zugleich: „Wir müssen aufhören, Technologie als separates Thema zu behandeln. Echte Souveränität erreichen wir nur, wenn wir Technologie, Wirtschaft und Verteidigung zusammen denken. Da sehe ich hier durchaus Bereitschaft, aber bin jetzt gespannt auf die Umsetzung.“ Büttner, die als Gründerin und CEO von Merantix Momentum am Gipfel teilnahm, mahnt: „Entbürokratisierung und Vereinfachung, etwa bei der Regulierung von künstlicher Intelligenz, müssen ganz oben auf der Agenda stehen. Nur wenn wir wirtschaftlich eigenständig und stark werden, können wir uns auch geopolitisch behaupten – Innovation muss konsequent Vorrang vor dem Heraufbeschwören von Gefahren haben.“
Souveränität ist nicht Abschottung
Denn: „In einer Welt, in der Autokraten Lieferketten als politische Waffe nutzen, in der russische Raketen und Cyberangriffe unsere Sicherheit bedrohen und in der einige wenige globale Tech-Konzerne ganze Märkte dominieren, ist die Frage nach der Souveränität Europas keine theoretische Übung mehr. Sie entscheidet darüber, ob wir unsere Freiheit, unseren Wohlstand und unsere Sicherheit verteidigen können“, so Büttner. „Für mich als Liberale ist klar, dass Souveränität nicht Abschottung bedeutet. Souveränität ist die Freiheit, selbst zu entscheiden.“
Lob findet Büttner dennoch – für die Bemühungen der Regierung, die Verwaltung zu digitalisieren und vermehrt auf Open-Source-Werkzeuge zu setzen. Positiv bewertet sie auch, dass Deutschland und Frankreich darauf drängen, die Anwendung der Regeln für Hochrisiko-KI-Systeme um ein Jahr zu verschieben. Der „Digitale Omnibus“ – ein Gesetzespaket, das Datenschutz- und KI-Vorgaben vereinfachen soll – soll am Mittwoch von der EU-Kommission vorgelegt werden.