Keine Koalition mehr ohne echte Reformpolitik

Vor einem Jahr scheiterte die Ampel-Koalition, weil Grüne und SPD nicht bereit waren, notwendige Reformen für das Land mitzutragen. FDP-Generalsekretärin Nicole Büttner und FDP-Chef Christian Dürr sprechen über die Erneuerung der FDP.

Nicole Büttner und Christian Dürr.
Nicole Büttner und Christian Dürr über die Lage Deutschlands und der Freien Demokraten ein Jahr nach dem Ende der Ampel.

Vor genau einem Jahr zerbrach die Ampel-Koalition. Die politische Lage und auch die Regierung haben sich seitdem verändert — die Probleme sind allerdings geblieben. Die Freien Demokraten arbeiten heute in der Opposition programmatisch daran, Deutschland wieder zukunftsfähig zu machen. Mit der ZEIT spricht FDP-Chef Christian Dürr darüber, wie der liberale Wiederaufstieg gelingen soll. 

Im Interview mit dem „WDR-Morgenecho“ sagt FDP-Generalsekretärin Nicole Büttner: „Wir wollten Bewegung ins Land bringen, wir wollten Reformen, dieses Land wieder zukunftsfähig machen und das war in der Ampelregierung nicht möglich.“ Die neue Bundesregierung hat aus Büttners Sicht allerdings bisher noch keine großen Sprünge gemacht: „Entweder ist die Regierung derzeit auch handlungsunfähig oder nicht so handlungsfreudig. Ich habe nicht das Gefühl, dass sich so viel getan hat.“ Das ist eine der Triebfedern für die Generalsekretärin: „Deswegen bin ich auch so motiviert, die FDP wieder aufzubauen, weil ich glaube, diese klare Stimme für Reformen und Zukunftsfähigkeit braucht es in Deutschland.“

Reformen waren das Ziel – und blieben blockiert

Büttner, die erst nach dem Ende der Ampel neue Generalsekretärin der FDP wurde, macht im Gespräch mit dem WDR deutlich, warum es zum Bruch kam: „Damals hat die FDP versucht, in der Koalition mit SPD und Grünen echte wirtschaftliche Reformen anzustoßen. In der Rente, im Arbeitsmarkt, im Energiesektor, beim Thema Entbürokratisierung.“ In der Ampel sei dies nicht durchsetzbar gewesen.

Christian Dürr erinnert daran: „Dass eine Koalition durchhält, ist noch kein Wert an sich. Wir wollten das Beste für das Land und die Menschen, für Jobs und Aufschwung. Da hat die Ampel zuletzt nichts zustande gebracht. Das ist meine Lehre aus den Regierungsjahren: Ich werde die FDP nie in eine Koalition führen, in der nicht echte Reformpolitik gemacht wird.“

Stillstand statt Reformen

Die Erwartungen an die neue schwarz-rote Bundesregierung und CDU-Kanzler Friedrich Merz seien hoch gewesen — erfüllt worden seien sie allerdings nicht, meint Büttner: „Die jetzige Regierung ist nach einem halben Jahr gefühlt soweit wie die Ampelregierung nach dreieinhalb. […] So fürchterlich positiv ist diese Nachricht nicht für unser Land.“ 

Für die FDP-Generalsekretärin steht fest: Deutschland braucht eine klare Stimme für Zukunft, Innovation und wirtschaftliche Freiheit. Nach dem Schritt in die Opposition haben die Freien Demokraten selbstkritisch reflektiert: „Wir haben eine schonungslose Aufarbeitung gemacht. Wir müssen aus unseren Fehlern natürlich lernen. Das ist ein ganz klarer Denkzettel und das ist der einzige Weg nach vorne.“ Auch der weitere Weg ist klar: Die Freien Demokraten müssen deutlich machen, wie sich politische Entscheidungen konkret auf das Leben der Menschen auswirken.

Dürr unterstreicht: „Parteien müssen ein Angebot machen, dem die Menschen vertrauen. Und die Menschen fordern Veränderungen.“ Der Ampel habe mehrheitlich der Mut gefehlt. „Ich bin überzeugt, wenn man den Mut hat, dann gelingen Reformen. Daher wollen wir die Partei der radikalen Mitte sein.“

Wir können und wollen radikale Reformen

Der FDP-Chef führt aus: „Wir sind eine Partei der Mitte, die für radikale Veränderung steht, und wollen genau diese Probleme beseitigen. Das Wort radikal kommt von radix, also von der Wurzel her. Status quo können Union, SPD und Grüne wunderbar. Es braucht eine Partei, die sagt: Wir können und wollen radikale Reformen.“

Die FDP sei bereit, ins Risiko zu gehen, das habe sie mehrfach bewiesen. „Und die Menschen im Land wollen, dass sich was verändert. Nehmen Sie die Rente: Was da gerade von Schwarz-Rot beschlossen wird, sind Leistungsausweitungen, die die junge Generation belasten und Jobs in Deutschland gefährden, weil die Kosten sozialversicherter Beschäftigung steigen.“ Deutschland habe in diesem Jahr eine Staatsquote von über 50 Prozent, im nächsten Jahr seien es 51 Prozent. Dürr moniert: „Helmut Kohl hat mal gesagt: Ab 50 Prozent beginnt der Sozialismus. Damit wäre Friedrich Merz der erste sozialistische Bundeskanzler in Deutschland.“

Freiheit bleibt Kern des Fortschritts

Für Büttner ist Freiheit Leitmotiv: „Das ist für mich unzertrennlich verbunden mit der menschlichen Fortschrittsgeschichte. Wir alle spüren, wir müssen neue Lösungen finden. Und das, was wir jetzt haben, reicht nicht aus. Und dafür ist Freiheit ganz, ganz wichtig.“

Die FDP arbeitet aktuell intensiv an ihrer programmatischen Erneuerung. „Wir arbeiten jetzt programmatisch daran, wirklich die großen Felder voranzubringen, weil die Menschen warten auf entschlossene, mutigere Formen“, so Büttner. Auch organisatorisch stellt sich die Partei breiter und moderner auf: „Wir haben die Parteispitze neu aufgestellt, auch neue Gesichter dabei, sind nicht mehr so monolithisch. Und ich glaube, das tut unserer Partei richtig gut.“